Süddeutsche Zeitung

Würzburger Kickers:"Puuuh!"

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Würzburgs Trainer Schiele gibt nach dem 1:5 gegen Viktoria Köln eine Pressekonferenz, die nur 148-Sekunden dauert. Seine Botschaft: Seine Mannschaft werde den Aufstieg trotz der überraschenden Niederlage nicht mehr verspielen.

Von Sebastian Leisgang

Es ist simple Mathematik, es bedarf nicht einmal eines Sieges, schon ein Unentschieden genügt den Würzburger Kickers am Samstag, um nach drei Jahren in die 2. Bundesliga zurückzukehren. Und ein Punkt gegen den Halleschen FC, bei aller Anerkennung - das wird doch wohl zu schaffen sein. So denken die Leute in Würzburg, so reden sie. Nur: Welche Folgen hat dieses 1:5 vom Mittwochabend bei Viktoria Köln? Lässt sich ein solches Debakel einfach beiseite wischen? Oder hat die Niederlage vielmehr ein Ausmaß, das die Mannschaft aus der Fassung bringen könnte?

Druck ist ein großes Thema im Sport. Druck kann beflügeln, Druck kann eine Mannschaft aber auch erledigen. Druck kann Beine so schwer werden lassen, dass ein Unentschieden gegen den Halleschen FC auf einmal ebenso anspruchsvoll daherkommt wie ein Sieg gegen den FC Bayern München. Ist Würzburg diesem Druck gewachsen? Ist die Mannschaft bereit?

Es hätte einige Fragen gegeben bei der Pressekonferenz am Donnerstagvormittag. Michael Schiele, Würzburgs Trainer, hätte dann versichern können, dass es seinen Spielern gelingen wird, das Debakel von Köln hinter sich zu lassen. Er hätte klarstellen können, dass seine Mannschaft den Druck ausblenden werde, er hätte auch sagen können, dass ein Unentschieden gegen Halle wohl zu schaffen sei. Aber: Schiele beantwortete keine Fragen. Schiele sagte vielmehr zu den Journalisten, die per Video zugeschaltet waren: "Männer, passt mal auf!" Dann führte er aus, in welch guter Ausgangsposition die Kickers seien, er versprach, dass seine Mannschaft am Samstag erfolgreich sein werde - dann erhob er sich, klopfte mit der rechten Faust auf den Tisch, grinste breit und verließ den Raum nach exakt 148 Sekunden.

Schiele hatte keine einzige Frage beantwortet und doch alles gesagt: Seine Mannschaft wird Taten sprechen lassen, das war die Botschaft.

Am Vorabend noch, unmittelbar nach dem 1:5 in Köln, da hatte Schiele das Resultat "ein Brett" genannt. Dass seine Mannschaft in der ersten Hälfte durchaus ansprechend Fußball gespielt hatte, nach rund einer Stunde auf einmal aber 0:3 zurücklag, "das war dann schon", sagte Schiele - er rang nach Worten und brachte nur eins heraus: "Puuuh!" Schiele atmete tief ein, dann begründete er den Systemabsturz der zweiten 45 Minuten taktisch: Seine Mannschaft habe "das Zentrum zu sehr aufgegeben". Das wiederum führte er auf einen gewissen Übereifer zurück. "Vielleicht", mutmaßte Schiele, "wollten wir zu schnell den Ausgleich oder den Anschlusstreffer erzielen."

Tags darauf schlug Schiele weniger analytische Töne an. Er versprach aber: "Wir werden die nötigen Punkte holen, dass wir da vorne auch nicht mehr wegkommen." Schon ein einziger Punkt reicht aus - selbst wenn Ingolstadt bei 1860 München gewinnt. Nur: Die 90 Minuten gegen Halle dürften eine der größten Prüfungen dieser Saison werden. Nicht, weil Würzburg erst am Mittwochabend ein Debakel erlebt hat. Auch nicht, weil der Gegner derart gut wäre, dass er den Würzburgern nie dagewesene Probleme bereiten würde - es könnte deshalb die größte Prüfung werden, weil die 90 Minuten ein immenses Gewicht haben.

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SZ vom 03.07.2020
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