Süddeutsche Zeitung

Würzburger Kickers:Nicht lebensmüde genug

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Die Würzburger Kickers star­ten mit einer 1:2-Niederlage in Osnabrück erneut unglücklich in die Saison.

Von Sebastian Leisgang

Man weiß nicht so genau, wie Sebastian Schuppan das gemeint hat. Der Abwehrmann der Würzburger Kickers hat den Satz einfach in den Raum geworfen, deshalb lässt sich nun ausgiebig darüber spekulieren, auf was Schuppans Aussage abgezielt hat. Ob er andeuten wollte, dass Mittelfeldspieler Dave Gnaase nach seinem ersten Tor für Würzburg eine Runde Bier spendiert hat? Oder ob er lediglich sagen wollte, dass sich die Mannschaft nach dem soeben verlorenen Spiel ausgesprochen hat?

Schuppan hat am Samstagnachmittag nach dem 1:2 beim Drittliga-Auftakt in Osnabrück jedenfalls wissen lassen: "Die Mannschaft hat schon in der Kabine eine gute Reaktion gezeigt." Schuppan, 32, ist der neue Kapitän der Kickers. Alleine deshalb ist er in dieser Saison als Gesprächspartner gefragter denn je. Er ist nun eine Autorität, und kraft seines Amtes muss er seine Spielanalysen jetzt häufiger als bisher in der Öffentlichkeit kundtun, oder, wie am Samstag an der Bremer Brücke, Niederlagen erklären. Er hat nun auch die Aufgabe, das Umfeld zu besänftigen, wenn sich die ersten Anhänger bereits an den gründlich missratenen Saisonstart im vergangenen Jahr erinnert fühlen.

Die Sache ist ja die: Die neue Spielzeit ist gerade einmal 90 Minuten alt, und eine einzige Partie bietet selbstredend noch längst keinen Anlass, Horrorszenarien zu entwerfen - dennoch hat das Spiel in Osnabrück Parallelen zu den Auftritten zu Beginn der Vorsaison aufgewiesen, besonders diese: Die Kickers haben ansehnlich gespielt, das Spiel aber glück- und punktlos zu Ende gebracht.

"In der letzten Aktion", sagte Schuppan nach dem 1:2 am Samstag, "musst du dein Leben riskieren, um den Ball abzublocken." Da die Würzburger aber offenbar nicht lebensmüde genug waren, traf der Osnabrücker Manuel Farrona Pulido in der dritten Minute der Nachspielzeit für den VfL - und Würzburg war nach Gnaases Führungstreffer (34.) und Bashkim Rennekes Ausgleich (65.) geschlagen.

So dürfte den Klub jene Debatte weiter beschäftigen, die ihn bereits vor dem Auftakt umgetrieben hat. Nach wie vor geht der Mannschaft eine Fachkraft für den Torschuss ab, ein Angreifer, der dafür Sorge trägt, dass der Ball auch die Grundlinie zwischen den Torpfosten überquert, wenn er zuvor hübsch durch die eigenen Reihen gelaufen ist - oder nach einer schnittigen Flanke nicht im Fangzaun landet.

Sportdirektor Daniel Sauer und Trainer Michael Schiele haben zwar längst erkannt, dass das Team in diesen Disziplinen Mängel aufweist und auch Orhan Ademi und Dominic Baumann nicht imstande sind, dies zu kaschieren - zuverlässige Angreifer sind jedoch ein rares Gut auf einem Markt, der nicht so recht in Schwung kommt. Diese Erfahrung haben Sauer und Schiele in den vergangenen Wochen bereits gemacht. Und da die Kickers nicht in der Lage sind, ihr Objekt der Begierde fürstlich zu entlohnen, ist die Suche komplex. Sie sind sich aber bewusst, dass es eine Mannschaft auf Dauer zermürben kann, wenn sie wieder und wieder Schweiß vergießt, allerdings nur selten eine Freudenträne nach einem Tor.

So verfügt Würzburg eben über einen Kader, der etliche Menschen in der Stadt vor ein kleines Problem stellen würde, sollten sie auf der Straße zehn Spieler aufzählen. Schuppan würde ihnen vielleicht noch in den Sinn kommen, schließlich hat der schon ein paar Schlachten in der zweiten Liga geschlagen. Auch Ademi dürfte den Leuten durch seine Bundesligazeit in Braunschweig ein Begriff sein, sonst aber ist die Zusammenstellung der Mannschaft in erster Linie: ausgeglichen. Die Kickers haben keinen Kevin Großkreutz (einst Borussia Dortmund) wie der KFC Uerdingen oder einen Stefan Lex (zuvor FC Ingolstadt) wie der TSV 1860 München. Sie haben nicht mal einen Lucas Hufnagel (zuvor SC Freiburg) wie die SpVgg Unterhaching.

Das Kollektiv, das durchaus technisch bewanderte Einzelspieler hergibt, ist Trumpf. Dafür müssen sich die Kickers zwar nicht schämen, doch auch das Spiel in Osnabrück hat gezeigt: Es kann nicht schaden, wenn man Spieler in seinen Reihen weiß, die zwischen Tornetz und Fangzaun unterscheiden.

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Quelle:
SZ vom 30.07.2018
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