Süddeutsche Zeitung

Trainer bei Werder Bremen:Rehhagel, Schaaf - und nun vielleicht Werner?

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Bei Werder Bremen wünscht man sich einen Trainer, der endlich wieder eine Ära prägt. Mit dem neuen Coach Ole Werner könnte es ideologisch und menschlich passen.

Von Thomas Hürner, Bremen

Die Wege des Schicksals sind oftmals unergründlich, aber eines lässt sich ganz schnell beweisen: Ohne das Zutun von Markus Anfang wäre Ole Werner niemals Trainer des SV Werder Bremen geworden. Na klar, werden einige jetzt sagen, wie sollte das auch anders sein? Die Kausalkette klingt ja sehr plausibel: Wenn Anfang nicht als mutmaßlicher Impfpassfälscher überführt worden wäre, dann hätte er auch gar nicht erst jene Posse in Gang gesetzt, die schließlich zu seinem Rücktritt führte und vor wenigen Tagen Werner auf die Bremer Trainerbank gespült hat.

Die Verdrahtung der Schicksale beider Trainer reicht aber noch weiter zurück, zum Beispiel bis zum letzten Spieltag der Vorsaison. Da war Anfang, damals noch in Diensten von Darmstadt 98, bei Ole Werner und seinen Kielern im Holstein-Stadion zu Gast - und crashte die fest eingeplante Aufstiegsparty. Die Kieler verloren 2:3, ein Sieg hätte den direkten Weg in die Bundesliga bedeutet, ein paar Tage später gingen die "Störche" 1:5 im entscheidenden Relegationsduell gegen den 1. FC Köln unter. Die Enttäuschung war umso größer, da Holstein eine dreimalige Corona-Quarantäne hinter sich hatte und so komplett aus dem Rhythmus gebracht worden war.

Werner wäre mit Holstein Kiel fast aufgestiegen - und scheiterte erst kurz vor dem Ziel

Tieftraurige Küstenbewohner hat der geplatzte Traum hinterlassen, und am traurigsten wirkte damals Ole Werner, 33. Es ist also keine allzu kühne Behauptung: Hätte Anfang im Mai nicht in Kiel gewonnen, dann würde Werner an diesem Freitag nicht in seinem ersten Spiel für Werder Bremen in Verantwortung stehen. Er würde seine Taktik nicht auf die unangenehmen Erzgebirgler aus Aue (Anpfiff 18.30 Uhr) ausrichten müssen, der Gegner hieße dann vielleicht Bayern München oder zumindest FC Augsburg, und überhaupt wäre Werner vermutlich ein überglücklicher Erstliga-Trainer, für den sie in Kiel ein stattliches Denkmal errichtet hätten.

Das Schicksal und Markus Anfang hatten aber etwas dagegen, was für Ole Werner und den SV Werder allerdings nichts Schlechtes heißen muss. Im Gegenteil: Dieser vertraglich bis 2023 geschlossene Bund könnte sich für beide Parteien als genau richtig erweisen.

Schon im Sommer stand Werner auf der Liste des Bremer Sportchefs Frank Baumann, der einen Trainer suchte, mit dem sich nach dem Sturz in die Zweitklassigkeit ein seriöser Wiederaufbau vorantreiben lässt. Werner stand jedoch weiterhin bei Holstein im Wort, weshalb sich Baumann für den in taktischen Fragen ähnlich denkenden, vom Naturell aber komplett gegensätzlichen Rheinländer Anfang entschied. Womöglich wäre ein früherer Vollzug im Sinne aller Beteiligten gewesen: Die Kieler verloren zum Start der aktuellen Saison drei Mal mit 0:3, das Unglück der vorigen Spielzeit hing wie ein dicker Nebelschleier über der Förde - auch deshalb hat Werner, aufgewachsen in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt, einst Jugendspieler und Jugendtrainer bei Holstein, seinen Job vor wenigen Wochen desillusioniert hingeworfen.

"Werder steht für eine Art und Weise von Fußball, die offensiv und mutig ist", sagte Werner

In Bremen ist jedoch wohlwollend registriert worden, dass Werner seinem Heimatklub mehr als 15 Jahre treu geblieben war. Noch immer schweben die Geister von Otto Rehhagel und Thomas Schaaf über dem Weserstadion, zuletzt hatte die Hoffnung bestanden, dass mit dem inzwischen in Wolfsburg angestellten Florian Kohfeldt eine neue Ära eingeleitet werden könnte. Und auch wenn der gefallene Traditionsklub seine Kontinuität längst nicht mehr auf allen Ebenen pflegen kann: Ideologisch und menschlich könnte es gut passen zwischen Werner und Werder.

Seit jeher, sagte Werner neulich, "steht Werder für eine Art und Weise von Fußball, die offensiv und mutig ist". Das Ansinnen des Trainers ist es nun, diese Tradition wieder aufleben zu lassen, trotz der vom Kampf geprägten zweiten Liga. Werner erhebt stets den Anspruch, selbst zu gestalten, das Spiel wird von vorne her gedacht. Es gebe viele Wege, um zu gewinnen, dozierte der Coach einmal: "Mein Weg ist der mit dem Ball."

Werner kann aufbauen auf dem Fundament, das ihm sein Vorgänger Markus Anfang hinterlassen hat

In dieser Saison verfügen die Bremer über einen zwar leistungsfähigen Kader, der der aktuellen Position im Tabellenmittelfeld der zweiten Liga nicht gerecht wird. Allerdings fehlt es ausgerechnet im Mittelfeld an einer schöpferischen Kraft, die das Spiel ordnet und mit Ideen versorgt. Das hatte bereits das Offensivkonzept von Trainer Anfang ausgebremst, wenngleich die Bremer im Aufschwung waren, ehe die Impfpass-Affäre auf die Tagesordnung trat. Mit den sportlichen Fortschritten waren sie aber durchaus zufrieden an der Weser, und der Neue kann direkt aufbauen auf dem Fundament seines Vorgängers: Werner arbeitete als Coach der zweiten Mannschaft bei Holstein, während Anfang dort von 2016 bis 2018 die Geschäfte des Profiteams führte, sie eint eine ähnliche fußballerische Geisteshaltung.

Mindestens genauso wichtig wird aber sein: Werner beschrieb sich mal selbst als "risikoaffin, neugierig und jemand, dem langweilig wird, wenn ihm die Dinge zu einfach werden". Keine schlechten Voraussetzungen, um im Jahr 2021 einen Job beim SV Werder anzutreten.

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