Süddeutsche Zeitung

Wasserball:Die Hoffnung der Hoffnungslosen

Lesezeit: 2 min

Die deutsche Nationalmannschaft wahrt bei der Europameisterschaft ihre kleine Olympia-Chance. Die letzte Entscheidung dürfte im März bei einem Qualifikationsturnier fallen.

Von Claudio Catuogno, Budapest/München

Auf ihr "Endspiel" gegen die Slowakei bei der EM in Budapest haben sich die deutschen Wasserballer so vorbereitet, wie sie das immer tun: hochprofessionell - im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Schon am Mittwoch war im kleinen Hotelpool für 6.30 Uhr die erste Wasser-Einheit angesetzt, danach Frühstück, um 8 kam der Bus. Bundestrainer Hagen Stamm, 59, wollte so die Abläufe für den Tag des Spiels simulieren, das am Donnerstag schon um 10 Uhr angepfiffen wurde. Auch das letzte Testspiel vor der Abreise nach Ungarn fand zur ungewohnten Zeit am Morgen statt. Man tut, was man kann, um sich als deutscher Randsportartcheftrainer Stück für Stück dem großen Ziel entgegen zu robben: den Sommerspielen in Tokio. Das Problem ist nur: Die Konkurrenz hat oft ganz andere Ressourcen.

Letztmals waren die Wasserballer 2008 bei den Sommerspielen

Wie das aussieht in einem Land, in dem Wasserball Volkssport ist, bekommen Stamm und seine Männer gerade in Budapest vorgeführt, wo Spiele der Gastgeber 8000 Zuschauer in die Halle locken. Die Deutschen? Haben, bei aller Detailversessenheit, eine Vorbereitung hinter sich, die Stamm als "so schwierig wie nie in meinen 14 Jahren als Bundestrainer" bezeichnet. Auch deshalb nennt er das ohnehin schwere Unterfangen, die Wasserballer erstmals seit 2008 wieder zu Olympia zu bringen, ein "Himmelsfahrtskommando". Umso größer wäre der Triumph, sollte es klappen.

Bisher ist das Himmelfahrtskommando jedenfalls auf Kurs. 8:5 (4:1, 1:2, 3:2, 0:0) gewannen die Deutschen ihr zweites Gruppenspiel gegen die Slowakei, Kapitän Julian Real war mit drei Treffern erfolgreichster Werfer. Man könne "stolz sein, wie wir dem Druck standgehalten haben, denn dieser Sieg war existenziell", sagte Stamm. Nach einem 9:17 gegen Kroatien zum Start geht es nun am Samstag gegen Montenegro. Da dürfte ein Sieg außer Reichweite liegen, aber als Gruppendritter hätten die Deutschen dann ein Über-Kreuz-Spiel gegen einen Gruppenzweiten, vermutlich Ungarn oder Spanien. "Auch sehr schwer", sagt Stamm, wenn man ihn in Budapest am Telefon erreicht. Allerdings: Auch diese Partie dürfte man verlieren - und stünde im Spiel um Rang neun. Das würde wahrscheinlich reichen, um sich beim Qualifikationsturnier im März in Rotterdam der weltweiten Konkurrenz um die letzten Tokio-Plätze stellen zu können. "Wir könnten bis dahin noch mal nachsitzen", sagt Stamm. Will heißen: eine neuerliche Vorbereitung starten, mit hoffentlich weniger Verletzten als zuletzt.

Das Bild vom Nachsitzen passt. Die Deutschen wirken wie jene Schüler, die immer erst dann durch die Tür huschen, wenn der Lehrer die Prüfungsunterlagen schon ausgeteilt hat. Auf den letzten Drücker. Mehr ist hierzulande einfach nicht drin in einem Nischensport wie dem Wasserball. Bei der WM vergangenen Sommer im Südkorea kämpfte sich die Auswahl so immerhin auf Rang acht. Eigentlich könne das gar nichts werden mit Olympia, hat Stamm oft genug gesagt - aber genau aus dieser Chancenlosigkeit, hofft er, ziehen seine Spieler am Ende ihre Kraft.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4760002
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 17.01.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.