Süddeutsche Zeitung

Regionalliga Bayern:Ein Wikinger an der Salzach

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Der isländische Trainer Hannes Sigurdsson hat in Burghausen so etwas wie eine neue Fußball-Euphorie ausgelöst. Nach 13 Spieltagen liegt der SV Wacker auf dem dritten Platz.

Von Stefan Galler

Von den Wikingern ist bekannt, dass sie damals vom hohen Norden aus mit ihren Schiffen den Globus erkundeten und mächtig herumkamen. Insofern ist Hannes Sigurdsson ein legitimer Nachfahre der Weltenbummler, wenn auch ein friedliebenderer. Denn der Isländer jagte in all den Ländern, die er bereiste, nicht Gold und Edelsteinen hinterher, sondern einem Fußball. Dass der ehemalige Profi Ende vergangener Woche einen grippalen Infekt innerhalb von nur einer Nacht abwehrte, ordnet der 39-Jährige übrigens nicht seiner Abstammung zu: "Ich bin offenbar kein richtiger Wikinger mehr und schon zu lange von Island weg, sonst hätte ich die Erkältung erst gar nicht bekommen."

In Norwegen hat Sigurdsson einst gespielt, auch in Schweden, Dänemark, England und Russland, in Kasachstan und Österreich - und in der Oberpfalz, bei Jahn Regensburg. Und war dann 2018 Trainer geworden, beim damaligen Landesligisten FC Deisenhofen, den er nicht nur im ersten Jahr direkt in die Bayernliga führte, sondern danach um ein Haar sogar bis in die Regionalliga. Dort ist zumindest er nun gelandet, seit dem Sommer trainiert er den Viertligisten SV Wacker Burghausen, nachdem er im Frühjahr bekanntgegeben hatte, in Deisenhofen aufzuhören. Offenbar passt der Schritt genau in Sigurdssons Karriereplanung.

Der 13-malige isländische Nationalspieler, der in seiner aktiven Zeit für Viking Stavanger im Uefa-Cup zum Einsatz kam und gegen Celta Vigo sogar ein Tor erzielte, macht nun beim früheren Zweitligisten Furore. Nach 13 Spieltagen ist Burghausen Tabellendritter, auch wenn es am Samstag beim Sechzehnten Greuther Fürth II nach 2:0-Pausenführung nur zu einem Remis reichte. "Wir fahren mit gemischten Gefühlen nach Hause. Wenn du 2:0 führst, kannst du am Ende normalerweise mit einem 2:2 nicht zufrieden sein", sagte Sigurdsson nach der Partie. Seine Mannschaft habe aber "alles gegeben, es war ein hartes Spiel".

Der Coach lässt aggressiv anlaufen: "In meinem Plan spielt die Defensive keine so große Rolle."

Da hatten sich seine Spieler eine Woche vorher beim 5:0-Erfolg gegen den FC Bayern München II deutlich leichter getan, auch wenn sich Sigurdsson nach dem Spiel bemühte, den Ball flach zu halten: "Was wir wollten, haben wir gut umgesetzt. Aber auch für diesen Sieg gibt es nur drei Punkte." Zu den Bayern lediglich ein knapper Satz: "Ich bin sicher, dass sie oben dabeibleiben."

Die von Martin Demichelis trainierte unerfahrene Bayern-Mannschaft hatte dem aggressiven Offensivfußball des SV Wacker allerdings nichts entgegenzusetzen. Und dieser Auftritt der Burghauser entsprach ziemlich genau der Vorstellung von seinem Fußball, erläutert Sigurdsson: "In meinem Plan spielt die Defensive keine so große Rolle." Die passenden Spieler für aggressives Anlaufen und effektives Gegenpressing hat der ehemalige Mittelstürmer: "Die Jungs sind sehr fit und lauffreudig, sie sind bereit, füreinander zu arbeiten." Überhaupt habe er eine perfekte Mischung aus jungen und erfahreneren Spielern, aus Zugängen und solchen, die schon länger bei Wacker spielen.

Trotz aller Euphorie, nach nun zehn Partien nacheinander ohne Niederlage und 24 Punkten nach 13 Spielen, liege noch ein weiter Weg vor ihnen, betont Sigurdsson: "Es ist noch viel Luft nach oben, wir können uns noch verbessern. Fokus und Hunger müssen bleiben, dann sind wir vielleicht irgendwann dort, wo wir hinwollen." Welche Spielklasse das ist, will der 39-Jährige nicht sagen, und auch die kurzfristigen Ziele behält er für sich: "Es wäre viel zu früh, sich jetzt zu äußern, für uns zählt immer nur das nächste Spiel."

Sigurdsson setze fußballerisch und menschlich "neue Maßstäbe", schwärmt der Sportliche Leiter Karl Heinz Fenk

Das sieht der Sportliche Leiter der Burghauser, Karl Heinz Fenk, ein bisschen anders. Er betont, dass die Zeiten, in denen der SV Wacker sich vollends vom Profifußball abwendete und als Amateurverein definierte, vorbei seien: "Wir wollen so hoch wie möglich spielen und haben große Ambitionen", sagt der 55-Jährige. Das zeige sich etwa darin, dass man weite Auswärtsreisen jetzt schon mal einen Tag früher antritt und teilweise sechsmal die Woche trainiere. Der neue Coach passe perfekt zu den ehrgeizigen Zielen des Klubs: "Hannes ist für uns ein Glücksfall, er hat in kürzester Zeit eine Spielweise bei uns eingeführt, die bis dato einzigartig ist." Auch menschlich setze Sigurdsson "neue Maßstäbe", sowohl im Umgang mit den Spielern als auch innerhalb des Trainerstabs, den er auf allen Ebenen voll einbeziehe. Auch auf dem Oktoberfest sei man bereits gemeinsam gewesen, verrät Fenk.

Sigurdsson ist offenbar bereit, sich voll auf Burghausen einzulassen: Er hat sich dort eine Wohnung gesucht, pendelt dennoch etwa zwei Mal die Woche zwischen Isar und Salzach, weil seine beiden Kinder in München leben. Dass er bei einem seiner Besuche auch mit seinem früheren Klub Deisenhofen noch einmal der Wiesn einen Besuch abstattet, sei ziemlich wahrscheinlich. Er wird hoffen, dass er danach nicht wieder kränkelt, der Wikinger außer Dienst.

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