Süddeutsche Zeitung

Vorbereitung des VfL Wolfsburg:Das große Aufräumen nach Magath

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Unter Felix Magath beherrschte der VfL Wolfsburg zwei Jahre lang die Transferperioden. Seit Klaus Allofs und Dieter Hecking die Nachfolger sind, kehrt merklich Ruhe ein. Doch nicht alle Probleme aus der Vergangenheit sind beseitigt.

Von Carsten Eberts

Der Brasilianer Naldo hat im Testspiel gegen AS Saint-Étienne einen Elfmeter an die Latte gelupft. Christian Träsch musste nach einem Schlag auf den Brustkorb die Nacht im Krankenhaus verbringen, ist aber wieder draußen. Und Diego Benaglio bleibt Kapitän, ohne dass es dafür einer Wahl bedurfte.

Viel mehr Brisanz haben die Nachrichten tatsächlich nicht, die aus dem Wolfsburger Trainingslager in Crans-Montana in der Schweiz herüberschwappen. Geräuschlos und höchst unaufgeregt geht der VfL seinen Sommergeschäften nach. Doch genau das ist eine spannende Nachricht.

Zwei Jahre lang hat der VfL Wolfsburg zuverlässig die Transferperioden beherrscht. Zumindest immer dann, wenn Felix Magath das Sagen hatte. Magath kaufte ein, als würde es nie wieder einen Transfermarkt geben; der Meistertrainer von 2009 gab das Geld aus, das Hauptsponsor VW ihm bereitstellte. Manchmal hatte es etwas Slapstickhaftes, wenn Branchenbeobachter versuchten, mit viel Phantasie die nächsten Transfercoups vorherzusagen. Und Magath doch wieder alle überraschte.

Als der schillernde Trainermanager im November 2012 endgültig seinen Job verlor, übergab er seinem Nachfolger Klaus Allofs einen aufgeblähten Spielerkader von 34 Angestellten. Jeder Spieler müsse eine realistische Perspektive haben, sagte Allofs zum Amtsantritt. Und machte sich ans Ausmisten.

14 Spieler ist Allofs in diesem Sommer losgeworden, das ist kein schlechter Wert. Zuletzt Simon Kjær, den es zum OSC Lille zog und dem VfL eine Ablösesumme um die zwei Millionen Euro bescherte. Auch prominente Namen wie Emanuel Pogatetz und Marco Russ sind weg, dazu unprominente wie Yohandry Orozco und Marwin Hitz. Ein oder zwei Weggänge könnten noch folgen, die neue sportliche Führung sei ihrem Hauptarbeitsziel, den Kader übersichtlicher zu gestalten, trotzdem schon "sehr, sehr nahe gekommen", urteilte Allofs kürzlich.

Doch noch immer sind über 30 Profis beim VfL angestellt. In Patrick Ochs, Felipe, Tolga Cigerci, Ja-Cheol Koo, Ibrahim Sissoko, Giovanni Sio, Kevin Scheidthauer und Rasmus Jönsson kamen gleich acht ausgeliehene Spieler zurück. Manch einen würde Hecking gerne behalten, etwa den Koreaner Koo, der sich in der Fremde gut entwickelte. Die meisten dürfen jedoch gehen.

Der Wandel in der Philosophie gehe nicht von heute auf morgen, sagt Allofs. Der Klub findet sich gerade in der Post-Magath-Ära zurecht.

Die Mannschaft, die in der kommenden Saison auf dem Platz steht, dürfte schon das Gesicht von Allofs/Hecking tragen. In nur drei Transferperioden unter Magath leistete sich der Klub Spieler für rund 70 Millionen Euro. Allofs geht weitaus sparsamer zu Werke. Stefan Kutschke (RB Leipzig), Daniel Caligiuri (SC Freiburg), Max Grün (Greuther Fürth) und Timm Klose (1. FC Nürnberg) sind die einzigen vier Zugänge.

Hinter den Transfers steckt zudem kaum sportliches Risiko: Caligiuri zeigte bei Freiburg eine starke Saison, Torwart Grün soll den Konkurrenzkampf hinter Stammkeeper Benaglio entfachen. Klose kennt Hecking aus Nürnberger Tagen, schätzt ihn für seine zuverlässige Arbeit. Der Schweizer soll wohl neben Naldo in die Innenverteidigung rücken, sobald er nach seiner Verletzung wieder fit ist. Mit sechs Millionen Euro ist Klose der teuerste Zukauf.

"Wir wollen signalisieren, dass wir einen Plan haben", sagt Allofs. Auch bei den Spielern kommt der neue Weg an. Linksverteidiger Marcel Schäfer lobte zuletzt die punktuellen Zugänge, "das war bei uns mal anders, weil der Umbruch erwartet und gefordert wurde", erklärte Schäfer der Wolfsburger Allgemeinen.

In der Schweiz absolvierte Wolfsburg nicht nur das Testspiel gegen Saint-Étienne (5:6 im Elfmeterschießen), auch eines gegen den Schweizer Erstligisten FC Sion, das der VfL locker 4:0 gewann. Am Wochenende tritt der Klub beim Nord-Cup in Hamburg an. Das Spiel nach vorne bei Ballbesitz gefällt Hecking schon ganz gut, es ist weniger auf Diego zugeschnitten als noch unter Magath, die Spieleröffnung soll künftig direkter erfolgen. Weniger sagt dem Trainer das Spiel gegen den Ball zu, hier soll der Trainingsschwerpunkt der kommenden Wochen liegen. "Wir sind auf einem guten Weg, eine homogene Truppe zu werden", erklärt Kapitän Benaglio.

Selbst die ungeklärte Zukunft von Regisseur Diego sorgt derzeit für wenige Nebengeräusche. Wolfsburg ist in einer komfortablen Situation, könnte mit dem Brasilianer in die neue Saison gehen, wenn nicht doch noch ein deutlich erhöhtes Angebot von Atlético Madrid hereinkommt. Bislang sollen die Madrilenen rund fünf Millionen Euro geboten haben. Deutlich zu wenig für den VfL.

(Mit Material von dpa)

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