Süddeutsche Zeitung

Volleyball:Fliegender Spaßvogel

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Herrschings Volleyballer rehabilitieren sich mit einem 3:1-Heimsieg über Königs Wusterhausen von ihrer Schlappe gegen Friedrichshafen - auch weil ihr Diagonalmann Samuel Jeanlys seinen nächsten starken Auftritt zeigt.

Von Sebastian Winter

Die Statistik spricht eindeutig für Samuel Nathan Jeanlys, der Hauptangreifer der Herrschinger Volleyballer hatte am Mittwochabend ja auch eindrückliche Werte. 23 Punkte erzielte der Diagonalmann im Heimspiel gegen Königs Wusterhausen, seine Erfolgsquote: 61 Prozent. Das ist ein starker Wert, zumal für einen 22-Jährigen, der gerade erst angekommen ist in der Bundesliga. Ein Block kam in der Statistik für den Franzosen hinzu. Jeanlys durfte sich später nicht nur über den 3:1 (25:27, 25:21, 27:25, 25:17)-Erfolg der WWK Volleys vor nur 500 Zuschauern in der halbleeren Herrschinger Nikolaushalle freuen, sondern auch über seine vierte MVP-Auszeichnung - im sechsten Ligaspiel. "Es war ein hartes Stück Arbeit", sagte Libero Ferdinand Tille tags darauf, "aber Samuel hat uns mit seiner guten Quote geholfen."

Jeanlys hatte in der vergangenen Saison beim französischen Meisterschaftszweiten Chaumont seinen Durchbruch, zuvor spielte er bei Arago de Sète an der französischen Mittelmeerküste - dort also, wo auch Tille zwischen 2011 und 2013 unter Vertrag stand. Frankreich gilt als neue Volleyballmacht, bei den Olympischen Spielen gewann die Männer-Nationalmannschaft Gold. Die dortigen Talente genießen im Land eine hochklassige Ausbildung, oft profitieren sie von ihrer Athletik, Ballkontrolle und früh eingeimpftem Spielverständnis. Für Jeanlys ist die Nationalmannschaft noch ein Stück entfernt - doch die genannten Attribute passen auf ihn. Auch deshalb hat Herrschings Trainer Max Hauser den 2,02 Meter großen Mann mit den Rastazöpfen an den Ammersee gelotst. "Er soll sich bei uns sportlich weiterentwickeln. Wir wollen sein Potenzial entfalten", sagte Hauser, als der Vertrag im Sommer unterzeichnet war.

Jeanlys entfaltet sein Potenzial gerade tatsächlich, er gilt als noch längst nicht fertiggeschliffenes Talent, das seine Sprunggewalt aber schon vor dem Spiel gegen Königs Wusterhausen zeigte. "Es ist schon krass, wie er springt, er hat schon öfter über den Block geschlagen", sagt Tille. Und wenn einer den Ball hart über den gegnerischen Block schlagen kann und dieser im Feld landet, ist das schon ein Zeichen für sehr, sehr hohen Luftstand am Netz. Im Aufschlag fehlt Jeanlys oft noch das Timing, die Genauigkeit beim Anwurf, manchmal wirft er den Ball noch viel zu weit ins Feld hinein. Im Angriff ist er ab und an zu ungeduldig, auch dort verpasst er mitunter den richtigen Moment und schlägt die Bälle meterweit ins Aus. Aber genau deshalb hat Hauser ihn verpflichtet: Weil er diesen Hochbegabten noch formen kann.

"In seinem ersten Training hat er schon mehr Hechtbagger gemacht als Penrose im ganzen Jahr", sagt Herrschings Libero Ferdinand Tille

Jeanlys ist da anders als sein Vorgänger Jalen Penrose. Der US-Amerikaner, der inzwischen in der Schweiz bei Volley Schönenwerd spielt, hat sich nicht mehr formen und noch weniger sagen lassen. "Samuel ist wesentlich lernfähiger. In seinem ersten Training hat er schon mehr Hechtbagger gemacht als Penrose im ganzen Jahr", sagt Herrschings Libero Tille. Am Ammersee mögen sie es nicht so sehr, wenn einzelne Spieler - so gut sie auch sind - stärker strahlen wollen als das Team.

Jeanlys glänzt auch, aber er ist anders, "er nimmt sich auch selbst nicht zu ernst, ist einer unserer Spaßvögel", sagt Tille. Auch wenn er auf Instagram wie so viele andere Profisportler seinen Athletenkörper zur Schau stellt. Er posiert dort zusammen mit seinen Brüdern, oder im Meer, aber das ist eher die Ausnahme. Fast alle seine Bilder drehen sich um den Sport, in dem er nun seinen ersten Schritt ins Ausland gewagt hat. Weil die Außenangreifer Tim Peter (mehrere kleine Muskelfaserrisse) und Jordi Ferragut (zweifacher Bruch des Handwurzelknochens) ausfallen, trägt Jeanlys nun noch mehr Verantwortung im Angriff als ohnehin schon.

Der junge Franzose geht bislang auf in dieser Rolle, Herrsching ist für ihn auch ein Sprungbrett, um irgendwann tatsächlich eine wichtige Rolle im französischen Nationalteam und in einem europäischen Top-Klub zu übernehmen. Das wird noch einige Zeit brauchen. Aber springen, das hat Jeanlys schon jetzt bewiesen, kann er wie nur wenige andere in der Volleyball-Bundesliga.

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