Süddeutsche Zeitung

VfB Stuttgart:Sag's mit Buden!

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Mit seinem Ausgleichstor gegen die alten Wolfsburger Weggefährten sichert Mario Gomez dem neuen Trainer des VfB Stuttgart einen ordentlichen Einstand.

Von Jörg Marwedel, Wolfsburg

Ein bisschen hat sich Mario Gomez entschuldigt bei den Wolfsburgern: "Ich bin nicht gut im Abschiednehmen", offenbarte er nach dem 1:1 zwischen seinem alten Arbeitgeber VfL Wolfsburg und seinem Herzensverein VfB Stuttgart, zu dem er vor rund fünf Wochen zurückgekehrt war. Gomez hat ja inzwischen einige Male Ade gesagt: einst in Stuttgart, dann beim FC Bayern, beim AC Florenz, bei Besiktas Istanbul - und zuletzt eben in der VW-Stadt. Die Verabschiedung vor dem Anpfiff, als er von VfL-Sportchef Olaf Rebbe mit einem Blumenstrauß sowie einem Bild und von der Fankurve mit Gomez-Rufen bedacht wurde, nahm er zwar gerührt zur Kenntnis. Aber er habe das alles "sehr schnell durchgezogen", um sich nicht ablenken zu lassen vor dem wichtigen Spiel.

Mehr noch: In der 60. Minute jubelte Gomez dann sogar für sein neues Team. Und zwar weniger dezent als jene Spieler, die immer ankündigen, aus Respekt vor ihrem ehemaligen Klub den persönlichen Erfolg nicht so augenfällig zu feiern. Gomez hatte das 1:1 besorgt, nachdem Divock Origi, quasi der "neue Gomez" als Wolfsburger Angriffsspitze, nach einem verlorenen Zweikampf von Andreas Beck gegen Yunus Malli die VfL-Führung erzielt hatte (24. Minute). Er habe, behauptete Gomez, sich vor der Partie "keine Gedanken gemacht" für den Fall der Fälle.

Gomez trifft für seinen Herzensverein zum ersten Mal seit dem 23. Mai 2009

Wahrscheinlich aber war ihm in diesem Moment sehr bewusst, wie wichtig sein 64. Bundesliga-Tor für seinen mal wieder abstiegsgefährdeten Stammverein VfB Stuttgart war. Der Schwabe Gomez, der sich wieder als "ein richtiger VfBler" fühlt, wusste, dass dieses 1:1 wichtiger war als die "Freunde, die ich in Wolfsburg zurückgelassen habe". Immerhin Freunde, denen er in der vergangenen Saison mit 16 Treffern den Klassenverbleib gesichert hatte. Tor Nummer 63 für den VfB hatte Gomez übrigens 3178 Tage zuvor erzielt - am 23. Mai 2009 bei der 1:2-Niederlage gegen die Bayern. Auch das 1:1 fast neun Jahre später war ein richtiges Gomez-Tor. Dennis Aogo hatte aus 17 Metern abgezogen, und während VfL-Keeper Koen Casteels in die vermeintlich richtige Ecke unterwegs war, streckte der Torjäger seinen Fuß dazwischen und gab der Kugel eine andere Richtung.

Gerettet hat Gomez damit auch den Einstand des neuen Trainers Tayfun Korkut. Der Nachfolger von Hannes Wolf, von den VfB-Anhängern nicht gerade mit Wärme, sondern mit Sprachlosigkeit empfangen, hatte die Elf gleich auf fünf Positionen verändert. Trotzdem war in der ersten Halbzeit nichts von einem Team zu sehen, das vom neuen Anleiter beflügelt gewesen wäre. Immer wieder versuchte Korkut vergeblich, die Spieler nach vorne zu verschieben. Erst als nach der Pause Daniel Ginczek für Anastasios Donis kam, traute sich sein Team etwas mehr zu, und Gomez hatte ein torgefährliches Pendant an seiner Seite. So nahm man den zweiten Auswärtspunkt der Saison mit nach Hause.

VfB-Sportvorstand Michael Reschke registrierte den Zähler zufrieden, er betonte noch mal, "dass wir einen Wunschtrainer verpflichtet haben" und Korkut den Faden zur Mannschaft schon eng geknüpft habe. Die Spieler aber hielten sich auffallend zurück, was Korkut angeht. Er wolle zum neuen Trainer nichts sagen, sagte der sonst meinungsstarke Gomez. Der Wechsel "geht mich nichts an", betonte Torwart Ron-Robert Zieler und erwähnte nur, dass man sich "auf was Neues" einstellen müsse. Kapitän Christian Gentner sprach von "richtigen Korrekturen" in der Halbzeit.

Tatsächlich hatte Korkut besonders an Gentner, dem "intelligenten Mittelfeldspieler", seine Taktik ausgerichtet und mehrmals im Spiel geändert. Zu Beginn hatte er Gentner zur Verblüffung aller als hängende Spitze hinter Gomez spielen lassen, dann links. Und als er Donis herausnahm, sollte Gentner plötzlich von der rechten Seite Druck machen. Alle Aufgaben, fand Korkut, habe Christian Gentner "gemacht, wie er es kann - gut". Überhaupt war Tayfun Korkut einigermaßen zufrieden mit seinem Einstand. Wenn man die Situation betrachte, in der die Mannschaft vor dem Spiel gesteckt habe, "muss man mit der Leistung und dem Punkt zufrieden sein", analysierte er.

Ob es aber tatsächlich so ist, wie VfB-Präsident Wolfgang Dietrich die derzeitige Lage sieht? Dietrich sprach nach der Partie davon, es herrsche trotz der Beurlaubung des Aufstiegscoaches Wolf "Ruhe im Verein". Außerhalb des Klubs ist das eher nicht so. Als der VfB in der ersten Halbzeit allzu zaghaft agierte, riefen die mitgereisten Stuttgarter Fans schon wieder ungeduldig: "Wir wollen euch kämpfen sehen!" Die Klubführung und ihr neuer Wunschtrainer können nur hoffen, dass es am Sonntag daheim gegen Borussia Mönchengladbach schon besser geht.

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SZ vom 05.02.2018
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