Süddeutsche Zeitung

Umgang mit Trophäen:Neue Pokale braucht der Sport

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Die Kieler Handballer lassen die Meisterschale fallen, Fußballer Sergio Ramos warf den spanischen Pokal zwischen die Räder des Mannschaftsbusses, was muss der EM-Pokal befürchten? Es ist kein Zufall, dass die heutige Spielergeneration den Pokalen keine Fürsorge zukommen lässt.

Thomas Hahn

Vom herkömmlichen Tischgeschirr unterscheidet sich der Pokal durch eine gewisse Unwucht, weshalb er auch im Tee-Gedeck von heute noch keinen festen Platz gefunden hat. Man muss nur den Fußball-EM-Pokal Henri Delaunay betrachten, um zu erkennen, wie die Trophäen-Industrie an den Bedürfnissen einer Gesellschaft vorbeiproduziert, die aus einem Gefäß auch mal was trinken möchte oder Blumen hineinstecken.

Sicherlich, das Sterling-Silber ist nicht zu verachten, welches die Londoner Goldschmiede Asprey einst zu diesem Kunstwerk verarbeitete. Aber: acht Kilo schwer ist es, 60 Zentimeter hoch - für einen Regenschirmständer zu klein, für eine Vase zu groß. Und trinken kann man daraus allenfalls mit dem Strohhalm. Immerhin zählt der Cup zur Gattung der Henkeltöpfe, weshalb die neuen Europameister ihn am 1. Juli bei geeigneter Armkraft bequem in die Höhe stemmen können.

Allerdings fällt schon auf, dass Pokale nach der feierlichen Übergabe immer häufiger Schaden nehmen. Soeben meldet der Handball-Meister THW Kiel, dass jemand im Jubeltaumel die Meisterschale fallen gelassen hat, so dass sich der Innenteller löste. Welch ein Malheur.

Und im vergangenen Jahr glitt dem Real-Madrid-Profi Sergio Ramos der spanische Pokal während der Triumphfahrt aus den Händen, fiel vom offenen Dach des Mannschaftsbusses und vor dessen Vorderräder. Danach sah die Trophäe aus wie eine experimentelle Skulptur aus der Reihe Blech und Beulen. Irgendwie interessant, aber eben auch nicht mehr ganz wie im Sinne des Goldschmieds.

Natürlich ist es kein Zufall, dass die heutige Spielergeneration den Pokalen nicht mehr jene Fürsorge zukommen lässt, die man von einem verantwortungsvollen Cup-Gewinner erwarten muss. In Zeiten der Geschirrspülmaschine hat sie offensichtlich das Gespür für den Umgang mit empfindlichem Mobilar verlernt.

Oder es steckt was Politisches dahinter: Die Siegspieler haben es satt, ständig irgendwelche Pokale in die Hand gedrückt zu bekommen, die im Grunde nur schwer und klobig sind, die Rückenschmerzen verursachen und oft nicht gut zu greifen sind. Sie lehnen sich auf gegen die Skulptur an sich, die zu nichts zu gebrauchen ist außer zum Stemmen, Herzeigen, Fallenlassen. Sie lassen die Pokale fallen, um damit zu sagen: Gebt uns andere Pokale.

Oder nein, gebt uns gar keine Pokale. Lasst uns Kaffeetassen in den Himmel recken, Gläser, Gabeln aus Weißgold und Teller aus feinem Porzellan. Gebt uns ein anständiges Tischgeschirr, damit am Ende jeder im Team was Vernünftiges in der Hand hat.

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Quelle:
SZ vom 05.06.2012
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