Süddeutsche Zeitung

Ulreich im DFB-Team:Der ewige Ersatzmann

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Von Benedikt Warmbrunn, München

Am ersten Augustsamstag wird Sven Ulreich 31 Jahre alt, er kommt dann in ein Alter, über das es bei Fußballtorhütern heißt, dass es das beste sei. Die großen Jahre kommen für Ulreich also vielleicht erst, wer vermag das schon einzuschätzen. Vor vier Jahren hätte ja auch keiner geglaubt, dass es für Ulreich so kommt, wie es nun gekommen ist. Rente mit 26! - das war damals noch eine der freundlicheren Bemerkungen; wie könne einer nur die besten Jahre als Fußballer verschenken für einen Platz auf der Ersatzbank? So fragten im Sommer 2015 viele, als Ulreich sich dem FC Bayern anschloss, als zweiter Torhüter hinter dem als unverwundbar geltenden Manuel Neuer.

Vier Jahre später gilt Neuer nicht mehr als unverwundbar, und dass Ulreich als fast 31-Jähriger in Rente gehen könnte, so etwas spottet zurzeit auch niemand, erst recht nicht seit diesem Wochenende, an dem Ulreich erstmals für die deutsche Nationalmannschaft nominiert wurde.

Nun ist die Hierarche unter den deutschen Torhütern nicht umgestülpt worden, es ist weiterhin eher unwahrscheinlich, dass Ulreich als dann fast 32 Jahre alter Fußballtorwart an der EM 2020 teilnehmen wird. Ulreich rückt für Bernd Leno vom FC Arsenal nach, der aufgrund einer Daumenverletzung absagen musste; zudem fehlt Marc-André ter Stegen vom FC Barcelona wegen Beschwerden im Knie. Bleiben Neuer und ter Stegen gesund, sind sie für die EM gesetzt, Neuer mutmaßlich als Stammtorhüter. Den dritten Torhüterplatz im Kader machen Leno und Kevin Trapp unter sich aus; Trapp gehört auch bei den Qualifikationsspielen in Weißrussland (8. Juni) sowie drei Tage später in Mainz gegen Estland zum Kader.

Auch für Löw wurde ein Ersatz nominiert

Dass Ulreich nominiert wurde, hat eher strategische Gründe; Bundestorwarttrainer Andreas Köpke wollte den Konkurrenzkampf nicht weiter schüren, indem er jemanden nominiert, der dann Ansprüche anmeldet - jemanden wie den 22 Jahre alten Schalker Alexander Nübel etwa, der ohnehin mit der U21 unterwegs ist. Ulreich hat aber bewiesen, dass auf ihn Verlass ist, auch dann, wenn niemand damit rechnet. "Sven hat sich diese Berufung verdient. Wenn er in dieser Saison gebraucht wurde, war er da und hat beim FC Bayern Top-Leistungen gezeigt. Das ist eine große Qualität", lobte Köpke. So sprang Ulreich Mitte April ein, als Neuer wegen eines Muskelfaserrisses in der Wade pausieren musste.

In den letzten fünf Saisonspielen verlor der FC Bayern mit Ulreich im Tor nicht ein einziges Mal - dass der ursprüngliche Ersatzmann in der wichtigsten Phase der Saison so souverän seine Arbeit erledigte, auch das sicherte der Mannschaft am Ende die Meisterschaft. Bereits in der Saison 2017/18 hatte Bundestrainer Joachim Löw gesagt, Ulreich sei in seinem "Blickfeld". Nun soll er verlässlich mittrainieren, mehr wird von Ulreich nicht erwartet - er ist dabei, weil er nicht murren wird, wenn er bald wieder nicht mehr dabei ist.

Neben Ulreich nominierte der DFB am Samstag noch Antonio di Salvo, wenn man so will: als Ersatz für Löw. Der Bundestrainer wird in einer Klinik wegen Durchblutungsstörungen behandelt. Di Salvo, der zum Trainerstab der U 21 gehört, soll Löws Assistenten Marcus Sorg unterstützen, der die zwei Qualifikationsspiele verantwortet, in enger Abstimmung mit dem Bundestrainer im Krankenstand. Sorg und di Salvo hatten von 2013 bis 2016 bei der U 19 zusammengearbeitet, 2014 gewannen sie mit ihrer Mannschaft die EM. Di Salvo ist 39 Jahre alt, er ist also in einem Alter, in dem viele Trainerkarrieren erst so richtig beginnen.

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SZ vom 03.06.2019
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