Süddeutsche Zeitung

Türkische Nationalelf:Hoffen auf eine "Heim-EM"

Lesezeit: 2 min

Beim 3:2 gegen das DFB-Team in Berlin wird das türkische Nationalteam von Zehntausenden Landsleuten gefeiert. Das gilt vor allem für Kenan Yildiz - das frühere Talent des FC Bayern hat sich nun für die Türkei "festgespielt".

Von Javier Cáceres, Berlin

In der Nacht zum Sonntag verbreitete die Bundespolizei über ein soziales Netzwerk eine wundervoll anzusehende Luftbildaufnahme vom Berliner Olympiastadion, die aber irreführend war. Das Dach war in den deutschen Nationalfarben beleuchtet, was suggerierte, dass das Gemäuer fest in deutscher Hand gewesen sei. Von wegen! Die Tribünen waren während des Länderspiels zwischen Deutschland und der Türkei (2:3) mehrheitlich von Unterstützern der Türken bevölkert - was insbesondere der türkischstämmige Kapitän des DFB-Teams zu spüren bekam. Ilkay Gündogan musste sich jede Menge chauvinistische Schmähungen anhören und wurde - wie vor Jahren der ehemalige DFB-Spieler Mesut Özil an gleicher Stätte - bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen. Das türkische Team hingegen? Wurde in Berlin gefeiert wie in Istanbul.

Es war alles andere als überraschend, dass sich das türkische Nationalteam deshalb wie der Fisch im Wasser fühlte. Vor allem perspektivisch fanden die Türken das Ambiente verheißungsvoll, denn die Türkei hat sich für die EM 2024 in Deutschland qualifiziert - und hofft dort auf eine ähnliche Unterstützung durch die türkische Diaspora. "Man hat gesehen, dass das eine kleine Heim-EM für uns werden kann", sagte Kaan Ayhan, der in Gelsenkirchen geboren wurde und am Samstag die Kapitänsbinde der türkischen Nationalelf trug. "Ich allein hätte mehr als hundert Karten verteilen können", erklärte Ayhan, der nicht nur von der Atmosphäre angetan war, sondern auch vom Auftritt von Kenan Yildiz, 18.

Der Regensburger Yildiz war nicht nur Schütze des überaus sehenswerten zwischenzeitlichen 2:1 - ein Schuss vom linken Eck des Fünfmeterraums unter die Querlatte nach einem langen Pass von Ayhan -, er sorgte auf der linken Angriffsseite auch immer wieder für Entlastung. "Es tut gut, wenn man seinen jungen Wilden hat, der auf dem Flügel herumtanzt", sagte Ayhan. "Er hat gezeigt, was in ihm steckt."

Salihamidzic habe "vielleicht nicht den Job gemacht hat, den der ein oder andere gemacht hätte", kritisiert Matthäus

Das ist, nach allem, was man hört, eine Menge. Yildiz entstammt dem Nachwuchs des FC Bayern, 2022 aber wechselte er ablösefrei nach Turin, zu Juventus. Aus dem Umfeld des Spielers ist zu hören, dass er nicht das Gefühl hatte, der FC Bayern würde wirklich an ihn glauben; Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus erklärte bei RTL, dass der frühere Sportvorstand Hasan Salihamidzic in diesem Fall "vielleicht nicht den Job gemacht hat, den der ein oder andere gemacht hätte". Dass Yildiz den FC Bayern verließ, führte Salihamidzic seinerzeit auf "finanzielle Forderungen" zurück, die der FC Bayern nicht erfüllen wollte.

In Turin hat sich Yildiz über die Nachwuchsteams, die so schöne Namen haben wie "Primavera", also Frühling, oder "NextGen", sprich: nächste Generation, an die erste Mannschaft von Juventus herangepirscht. In der laufenden Saison kam er in der Serie A auf fünf Kurzeinsätze. Am Samstag bestritt Yildiz sein zweites A-Länderspiel für die Türkei, was bedeutet, dass er sich für das Heimatland seines Vaters - seine Mutter ist Deutsche - "festgespielt" hat. "Er wird in seinem Verein und bei uns eine wichtige Rolle spielen", sagte Kapitän Ayhan. Womöglich schon bei der Heim-EM.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.6305948
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.