Süddeutsche Zeitung

TSV 1860 München:Eine Frage des Ermessens

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Die Deutsche Fußball-Liga betont: die Vereinsführung von 1860 könnte den Investor im Fall des Geschäftsführers Sport Gerhard Poschner überstimmen und diesen entlassen - auch gegen den Willen Hasan Ismaiks.

Von philipp Schneider

Es geschieht selten, dass die Deutsche Fußball-Liga (DFL) Stellung bezieht zu einem politischen Konflikt, der einen der von ihr lizenzierten Vereine beschäftigt. Angesichts der chaotischen Situation beim Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München, wo nach dem Rücktritt des gesamten Präsidiums seit Montag ein Übergangs-Vorstand amtiert, machte die DFL nun eine Ausnahme. Auf SZ-Anfrage ließ sie ausrichten, dass aus ihrer Sicht Sechzigs Vereinsführung sehr wohl über die vertraglichen Werkzeuge verfügen würde, um Gerhard Poschner zu entlassen - den Geschäftsführer Sport, den die Vereinsvertreter weg haben wollen, der aber noch im Amt ist, weil ihn Investor Hasan Ismaik stützt: "Die DFL hat im Lizenzierungsverfahren die Statuten des TSV 1860 und der sich anschließenden Kapitalgesellschaften geprüft. Den Unterlagen zufolge wird die 50+1-Regel wie vom Ligaverband vorgeschrieben erfüllt", teilte die DFL mit: "Sollten die Vertreter des Vereins die vertraglich eingeräumten Letzt-Entscheidungsrechte - beispielsweise mit Blick auf die Weisungsbefugnis gegenüber der Geschäftsführung oder die Zuständigkeiten des Beirats - nicht ausüben, so ist dies eine Ermessensentscheidung der Verantwortlichen." Im Klartext: Wenn der Verein in letzter Instanz eine Entlassung des Sportchefs scheut, dann ist nicht das Vertragswerk schuld.

Über Entlassung und Bestellung der Geschäftsführer entscheidet bei Sechzig ein paritätisch besetzter Beirat, in dem Ismaik (der 49 Prozent der stimmberechtigten Anteile besitzt) und der e.V. jeweils zwei Vertreter haben. Besteht dort - wie offenkundig im Streit um Gerhard Poschner - eine Pattsituation, bleibt der Geschäftsführer zunächst im Amt. In der Theorie könnte sich der Verein aber auf 50+1 und auch auf Klauseln in der Satzung seiner Geschäftsführungs-GmbH berufen - und den Beirat notfalls sogar abschaffen. Davor scheuen die ehrenamtlichen Funktionäre allerdings zurück. Dem Vernehmen nach, weil sie fürchten, dass Ismaik von einem außerordentlichen Kündigungsrecht für seine Darlehen in Höhe von mehr als sechs Millionen Euro Gebrauch machen könnte. Das grundsätzliche Problem bei 1860 besteht darin, dass Ismaik - der eigentlich nur das Mitspracherecht eines Minderheitsgesellschafters haben darf - zugleich Darlehensgeber ist.

Die Vereinsvertreter befürchten zudem, dass sie im Falle einer Aushebelung des Beirats auch gegen geltendes Handels- und Zivilrecht verstoßen könnten. Tatsächlich verfügt der e.V. im Gegensatz zu Ismaik über eine Weisungsbefugnis gegenüber Poschner. Die reicht aber nicht dazu aus, ihn zu entlassen.

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Quelle:
SZ vom 24.06.2015
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