Süddeutsche Zeitung

TSV 1860 München:Ismaiks raffinierte Nebelkerze

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Der TSV 1860 bemängelt nach der Entlassung von Trainer Kosta Runjaic eine angeblich bedenkliche Berichterstattung. Dabei sind es die Entwicklungen beim Zweitligisten, die bedenklich sind.

Kommentar von Philipp Schneider

Am Donnerstag verschickte der TSV 1860 München eine Pressemitteilung mit der Intention, "im Anschluss an die Pressekonferenz zur Entlassung von Cheftrainer Kosta Runjaic" etwas "klarzustellen". Diese Klarstellung stellte allerdings nichts klar, sie enthielt keinerlei Informationen, die nicht bereits auf der Pressekonferenz zum Ausdruck gebracht worden wären. Sie wiederholte lediglich in schriftlicher Form einige Argumente, die abermals dem Verdacht entgegenwirken sollen, bei 1860 finde eine faktische Unterwanderung von 50+1 statt.

Jener Regel also, die besagt, dass Vereine in Klubs mit Investorenbeteiligung die Entscheidungshoheit behalten müssen. Der TSV 1860 München habe sich, so hieß es in der vermeintlichen Klarstellung, "in Übereinstimmung aller Gremien dazu entschieden, den Trainer zu beurlauben". In der "nachfolgenden Berichterstattung" seien "diese Botschaften zum größten Teil unsachlich und irreführend wiedergegeben" heißt es weiter. "Diese Darstellung halten wir für sehr bedenklich."

Diese Darstellung drängte sich allerdings all jenen Journalisten auf, die Zeugen einer bedenklichen Pressekonferenz sein durften. Einer bizarren Veranstaltung, bei der nicht Vereinspräsident Peter Cassalette der Wortführer war, sondern Investor Hasan Ismaik, der lediglich Vorsitzender des Aufsichtsrats der KGaA ist. Eines Gremiums, das gemäß des von der Deutschen Fußball-Liga genehmigten Kooperationsvertrags in den wichtigsten Personalfragen keinerlei Entscheidungsbefugnis hat: Die Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers (Degradiert wurde Thomas Eichin, bestellt wurde ein Mann namens Anthony Power) obliegt bei 1860 dem von beiden Gesellschaftern (e.V. und Ismaik) paritätisch besetzten Beirat der Geschäftsführungs GmbH. Diese GmbH ist eine alleinige Tochter des Vereins.

Sie ist die letzte Bastion von 50+1 bei 1860 - und ihre Existenz die Bedingung dafür, dass die DFL im Jahr 2011 den Einstieg von Ismaik überhaupt abgesegnet hat. Insofern ist es in der Tat eine sehr bedenkliche Entwicklung, dass der Investor nun auf dem Podium einer Pressekonferenz saß, neben sich ein demonstrativ passiver Vereinspräsident ("Das soll am besten Hasan beantworten. Ich bin Präsident des e.V."), und dort erstmals unwidersprochen verkünden durfte, dass alle Personalentscheidungen im Aufsichtsrat der KGaA getroffen worden seien: dem einzigen Ort, in dem bei Stimmengleichheit Ismaik entscheiden darf.

Eine einfache Mehrheit im Beirat hätte genügt

Dass in der Mitteilung von einer "Pressekonferenz zur Entlassung von Cheftrainer Kosta Runjaic" gesprochen wird, darf als raffinierte Nebelkerze gedeutet werden. Schließlich dürfte die Versammlung in die Geschichte gehen als Pressekonferenz zur Degradierung von Eichin und Inthronisierung von Power. Diese bemerkenswerte Personalrochade, die dem TSV 1860 München mal wieder unfreiwillig nationale Aufmerksamkeit einbrachte, hätte nicht einmal, wie behauptet, in "Übereinstimmung aller Gremien" entschieden werden müssen. Die einfache Mehrheit im Beirat hätte genügt. Dort sitzen außer Cassalette und Ismaik noch dessen Bruder Yahya sowie Karl-Christian Bay, der Vorsitzende des e.V-Verwaltungsrats.

Bay oder Cassalette - mindestens einer muss tief in sich die Überzeugung gespürt haben, dass Anthony Power der geeignete Mann ist in Zeiten der Krise.

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Quelle:
SZ vom 25.11.2016
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