Süddeutsche Zeitung

Laura Lindemann im Triathlon:Sie treibt den Wandel an

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Laura Lindemann schreibt der Bundeskanzlerin, sie löst Probleme mit Trainingslagern kreativ und inspiriert andere Athletinnen - auch dank ihr geht der Umbruch im deutschen Kurzdistanz-Triathlon spürbar voran.

Von Johannes Knuth, München

Neue Erfolge bringen oft auch neue Umstände mit sich, die Triathletin Laura Lindemann hat aber auch diese Herausforderung gewissenhaft gemeistert. Kürzlich, bei der Siegerehrung des Weltserien-Rennens in Hamburg, hielt Lindemann schon Blumenstrauß und Trophäe in der Hand, weil sie den Sprintwettbewerb über 750 Meter Schwimmen, 21 Kilometer Radfahren und fünf Kilometer Laufen als Schnellste absolviert hatte. Und weil Hamburg diesmal auch als Auftakt der WM-Serie 2022 firmierte, erhielt die 25-Jährige noch einen weiteren Pokal als Zugabe, weil sie nun ja auch in der neuen WM-Wertung führt, die am Ende der mehrteiligen Wettkampftournee die Weltmeister im Kurzdistanz-Triathlon kürt. Und das war jetzt auch ein kleines Problem.

Denn Lindemann fiel es gar nicht so leicht, alle Insignien gleichzeitig zu handhaben. Sie wog Strauß und Pokal kurz hin und her, dann stellte sie beides auf dem Podest ab - ehe sie den Pokal als neue WM-Führende entgegennahm, der aussah wie der Entwurf eines Wolkenkratzers, der irgendwann mal Hamburgs nächstes überteuertes Bauprojekt werden könnte. Später gab es noch einen Liter Bier vom Sponsor, den die Athletinnen aber nicht trinken konnten, wegen der Maskenpflicht. Aber das vermieste Lindemann ihren "so ziemlich perfekten Tag" dann auch nicht mehr.

Dieses Wochenende in Hamburg stand für etwas mehr als die banalen Siegeremotionen, die sie bei der Deutschen Triathlon Union (DTU) natürlich auch gerne mitnahmen. Lindemann kennt sich mit Zeremonien ja schon etwas besser aus, sie hatte es in der Weltserie zuvor drei Mal aufs Podium geschafft, bei Olympia war sie zuletzt Achte im Einzel. Der Sieg in Hamburg war allerdings ihr erster überhaupt in der prestigeträchtigen WM-Serie. Und bei den Männern hatte in Tim Hellwig ebenfalls ein DTU-Starter das Einzel gewonnen, dieses Doppel war dem Verband noch nie gelungen; kurz darauf veredelte die Mixed-Staffel das Heimspiel mit dem dritten Sieg im dritten Rennen. Sie wussten die Erfolge natürlich einzuordnen, manche Topstarter hatten sich für Hamburg entschuldigt. Aber die besseren Tage, auf die die früher so erfolgsverwöhnte DTU lange verwiesen hatte, scheinen nun allmählich anzubrechen. Und das war nach all den Geschichten davor gar nicht so selbstverständlich.

Keine Trainingslager in der Pandemie? Dann wird Lindemann halt Zweite bei den Leichtathletik-Meisterschaften

Manchmal braucht es einen Knall, um neue Energie freizusetzen, und bei der DTU waren das vor allem die Sommerspiele 2016. Lindemann war schon damals als 28. die beste DTU-Starterin auf der olympischen Distanz (1,5/40/10), davor war ihr Start von vielen Nominierungsdebatten begleitet - Lindemann hatte in einem Akt der Verzweiflung sogar einen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel geschrieben. Nach Rio übernahm der promovierte Sportwissenschaftler Jörg Bügner den Posten des Sportdirektors und schob einige Veränderungen an.

Um den Nachwuchs besser zu sichten und auszubilden, werden Athleten mit Olympiaperspektive zum Beispiel nicht mehr nur in Saarbrücken zusammengezogen, sondern auch in Nürnberg und Potsdam, was nicht jedem sofort einleuchtete. Aber Bügner war überzeugt vom Ideal der mehreren Königswege; so trainiert ein Jonas Schomburg mit seiner internationalen Trainingsgruppe nun in Girona und eine Laura Lindemann bei ihrem Förderer Ron Schmidt in Potsdam, womit sie auch zu einer der Wegbereiterinnen des Wandels wurde.

Nicht, dass ihr derartige Erwartungen groß etwas auszumachen scheinen. Sie wirkt enorm zielstrebig und professionell, verfällt aber nicht kopflosem Ehrgeiz oder Hektik, wenn ein Plan mal nicht aufgeht, was auch auf der Kurzstrecke meist die Regel ist. Ein Jahr, nachdem man ihr auf der Potsdamer Eliteschule gesagt hatte, dass sie es als Brustschwimmerin nicht weiter zu versuchen brauche, war sie 2013 schon EM-Zweite bei den Triathlon-Junioren, daran knüpfte sie EM- und WM-Titel im Nachwuchs und bald auch Erfolge bei den Erwachsenen. Sie hat mit Schmidt geduldig daran gearbeitet, in allen Disziplinen noch etwas besser zu werden: Mittlerweile, sagt sie, treffe sie immer öfter das Maß zwischen dem großen Trainingseifer mancher Kollegen und der etwas defensiveren Dosierung, die ihrem Naturell entspricht.

Sie ließ sich auch nicht davon beeinträchtigen, dass während der Pandemie zuletzt viele Rennen und Trainingslager ausfielen; dass sie stattdessen im Winter drei Stunden im Velodrom in Frankfurt/Oder kreiselte und bei den Hallen-Meisterschaften der Leichtathleten Zweite über 3000 Meter wurde. Das inspirierte wiederum andere Athletinnen, die mittlerweile mit Lindemann in Potsdam trainieren, Marlene Gomez-Islinger etwa (Sechste in Hamburg) und Nina Eim (16.), die davon künden, dass Lindemann längst keine Einzelkämpferin mehr ist.

Und dass es mit ihrer erhofften Medaille in Tokio nichts wurde? Dann halt in Paris, wenn auch die Pläne der anderen DTU-Athleten so richtig aufblühen sollen. Ganz ohne Reibung wird es bis dahin nicht gehen, die Stelle des Cheftrainers ist zum Beispiel noch immer unbesetzt, seit der Verband sich im Vorjahr von Faris Al-Sultan trennte, der kurz zuvor die Corona-Politik der Regierung scharf kritisiert hatte. "Wir wissen noch nicht so recht, was auf uns zukommt, der Verband will noch einige Dinge ändern", sagt Lindemann. Aber von derartigen Dingen hat sich die 25-Jährige ja noch nie nachhaltig irritieren lassen.

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