Süddeutsche Zeitung

Triathlet Jan Frodeno:Mit gefletschten Zähnen auf Rang sechs

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Triathlet Jan Frodeno hat ein "Seuchenjahr" voller Verletzungen hinter sich. Im letzten Moment erst qualifizierte sich der Olympiasieger von Peking für London und kommt als bester Deutscher ins Ziel. Die Spitze mit zwei britischen Brüdern ist jedoch zu schnell.

Silke Keul

Er nahm die britische Flagge, drehte sich um und ließ die Uhr noch ein paar Sekunden herunterlaufen, bevor er das Zielband durchbrach: Der 24-jährige Alistair Brownlee hatte über 1,5 Kilometer Schwimmen, 43 Kilometer Radfahren und 10 Kilometer Laufen demonstriert, dass er der verdiente Olympiasieger und beste Triathlet der Welt ist.

Hinter Alistair Brownlee waren es der Spanier Javier Gomez und sein jüngerer Bruder Jonathan Brownlee, die um Medaillen kämpften. Hätte Jonathan nicht noch eine Wechselzonen-Strafe von 15 Sekunden abstehen müssen, er wäre womöglich vor Gomez gelandet. Brownlee-Gomez-Brownlee - es war ein schnelles Rennen in London.

Aus deutscher Sicht begann der Wettbewerb mit einer Frage: Was kann Jan Frodeno laufen? Was kann er leisten? Der Olympiasieger von Peking kam als Sechster ins Ziel. "Es war ein super Kampf. Ich habe alles aus mir raus geholt. Ich bin sehr glücklich", sagte der 30-Jährige und verwies auf sein "Seuchenjahr" voller Verletzungen.

Seit den Spielen in Peking ging es zunächst nur aufwärts in der Karriere des Jan Frodeno. 2010 sollte der WM-Titel drin sein. Doch bevor es dazu kam, setzte ihm sein Körper ein Limit.

Jan Frodeno ist ein Triathlet, der wenig Pausen macht, der getrieben von seinem Ehrgeiz immer ein wenig mehr tut, als Bundestrainer Roland Knoll von ihm verlangt, wie dieser sagte. "Er ist auf Erfolg fokussiert", so Knoll. Und das habe ihn hin und wieder lahmgelegt, so geschehen 2010. "Ich war einfach am Ende", beschrieb Frodeno diese Saison. Und: "Im Finale kam alles zusammen." In jenem Finale in Budapest, das das seine werden sollte, brach er beim Laufen ein, wurde 41. und somit wieder Vierter in der Gesamtwertung.

Es war zu kalt in der ungarischen Hauptstadt. Darüber hinaus, so erzählte er, brauchte er eine Auszeit vom Medienrummel und wurde sich klar darüber, dass er eher jemand für ein, zwei Saisonhöhepunkte ist, als für eine ganze Serie mit ständigen Toprennen. 2011 konzentrierte sich der Profiathlet auf die Qualifikation für die olympischen Spiele in London. Eine Aufgabenstellung, die funktionierte. Er schaffte sie mit Platz 11.

Dann ein erneuter Rückschlag. Im Januar 2012 litt der 30-Jährige an Schmerzen in der Achillessehne, die sich kein Arzt erklären konnte. Ein Untersuchungsmarathon begann, vier Monate dauerten Suche und Behebung der Schmerzursache: ein gereizter Nerv. In der Zeit konnte Frodo kaum laufen. Auch beim Radfahren merkte er manchmal sein Bein. In der Zeit habe er "tiefste Täler erlebt", sagte der Olympiasieger. Keiner konnte ihm helfen und die Zeit lief ihm davon.

In den Nominierungskriterien des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) war festgeschrieben, dass der Startplatz, den sich die Athleten beim Testevent gesichert hatten "durch eine Top-20-Platzierung bei der WM-Serie 2012 bis zum 31. Mai 2012 bestätigt werden" müsse. Diese Frist konnte er unmöglich einhalten. Beim WM-Rennen in Madrid, der letzten Möglichkeit vor der Frist, musste er zusehen, wie die restlichen Plätze für London von seinen Kollegen aufgefüllt wurden. Doch die Deutsche Triathlon Union gab ihrem Aushängeschild eine Chance, sich doch noch zu bewähren: beim WM-Rennen in Kitzbühel Ende Juni. Vier Tage vorher konnte Frodeno wieder richtig trainieren, zuvor habe er hauptsächlich an seiner Schwimm- und Radform arbeiten können. "Das war eine Überraschungstüte", sagte der gebürtige Kölner nach dem Showdown, in dem er als 16. ins Ziel kam.

"Was mir die Verletzung genommen hat, ist dieses Verbissene. Da habe ich gemerkt, dass ich dankbar sein sollte, für die schönen Momente im Sport." Nun stand er im Aufgebot von London, an der Seite von Steffen Justus und Maik Petzold. Diesmal lagen keine optimalen Trainingsjahre hinter ihm und trotzdem kündigte er an, nicht nur dabei zu sein.

Sein Rennen lief gut, er kam beim Schwimmen als Neunter aus dem Londoner "Serpentine", landete im Radrennen in der Verfolgergruppe, die er als Zugmann über 43 Kilometer an die Spitzengruppe mit Alistair und Jonathan Brownlee und Javier Gomez zog. Doch die Brownlee-Brüder sind starke Läufer, hatten immer noch ein wenig Zeit für die Fans. Einzige Hoffnung konnte sein, dass Jonathan Brownlee durch seine Zeitstrafe vom Bronzerang fallen würde.

Doch dann waren da noch die Franzosen David Hauss und Laurent Vidal vor Frodeno. Es war ein ungleicher Kampf für den deutschen Athleten. Alistair Brownlee kam diesmal knapp vier Minuten schneller ins Ziel als beim Testevent vor einem Jahr. Auch Jonathan Brwonlee und der zweimalige Weltmeister Javier Gomez waren für Frodeno unerreichbar.

"Nach dem Wechsel vom Rad auf die Laufstrecke bin ich einfach losgerannt und habe geschaut, was passiert. Zum Glück bin ich nicht gestorben", sagte Frodeno, der sich nach dem Schwimmen auch nicht von Problemen mit dem Reißverschluss seines Anzugs beeindrucken ließ. Nur die außergewöhnliche Atmosphäre im Hyde Park konnte er nicht genießen: "Ich war zu sehr damit beschäftigt, die Zähne zu fletschen."

Der Computer zeigte 1:47:26 Stunden an, als der Olympiasieger von Peking in London ins Ziel lief - mit der sechstschnellsten Laufzeit des Feldes. Jan Frodeno wurde zwar nicht zum zweiten Mal Olympiasieger, aber er hat bewiesen, dass er sich zurückkämpfen kann. Egal was zuvor passiert war. "Es waren harte Wochen", sagte Frodeno: "Für den Körper und für die Birne. Das muss ich jetzt erst mal sacken lassen."

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