Süddeutsche Zeitung

Tour de France:Immer dem Gelben Trikot hinterher

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Wenn es sich nach der Abfahrt nach einer Bergankunft staut, kann das Gelbe Trikot schon mal die rettende Option bieten.

Von Johannes Aumüller

Wer vom größten Radrennen der Welt berichtet, braucht vor allem ein entspanntes Verhältnis zum Autofahren. Sehr viel Zeit verbringen die Journalisten, die die Tour de France begleiten, am Steuer ihres Wagens. Über Chauffeure, so wird es traditionell weitergegeben, verfügen lediglich einige Vertreter der L'Équipe - des Erfinders und Leitmediums der Tour, das an den meisten Tagen knapp ein Dutzend Zeitungsseiten mit Inhalten zur Grande Boucle füllt. Manche Kollegen teilen sich immerhin ein Auto. So 5000, 6000 Kilometer können in den drei Wochen jedenfalls zusammenkommen bei der Begleitung des Pelotons über 21 Etappen.

Dabei geht es dem autofahrenden Berichterstatter wie dem fahrradfahrenden Sportler: Die schwersten Prüfungen bei der Tour sind die Bergankünfte. Das beginnt am Vormittag bergauf, wenn man sich zwischen Tausenden Hobbyradlern seinen Weg zum Gipfel suchen muss. Und vor allem gilt das nach dem Etappenende am Abend bergab. Wer nicht ins Gedränge der Zuschauer und Wohnmobile geraten und das Hotel erst spät in der Nacht erreichen möchte, sollte sich nach Möglichkeit der General Evacuation anschließen.

Das ist eine polizeilich geleitete Eskorte, die kurz nach dem Ende der Etappe die Mannschaftsbusse und alle anderen Begleitwagen der Tour den letzten Berg wieder hinab und meist auch noch durchs nächste enge Tal geleitet. So geht es dann mit Dauer-Blaulicht und auf der Gegenfahrbahn vorbei an den Fans, die am Streckenrand noch warten müssen, und an den Wagenkolonnen, die sich da stauen.

Je nach Berg kann die General Evacuation schon mal 30, 40 Kilometer dauern, in jedem Fall gibt es dabei zwei Dinge zu beachten: Erstens ist das Tempo ziemlich flott - und zweitens kann insbesondere in den Tal-Passagen dasselbe passieren wie bei einem Peloton, das eine Windkante fabriziert. Irgendeine Unachtsamkeit, ein Kreisverkehr, der den Rhythmus bricht, eine zu große Lücke zum Vordermann - schon reißt die Evacuations-Kette. So kann es passieren, dass man doch wieder irgendwo feststeckt.

So wie in diesem Jahr am Fuß des Col du Portet, dem finalen Anstieg der Königsetappe in den Pyrenäen. Die Fahrt die Serpentinen hinunter funktioniert tadellos, die Situation scheint schon gemeistert, da findet man sich im Tal dann trotzdem in einer Stau-Situation wieder. Die Gegenfahrbahn ist zwar noch völlig frei, aber die Kolonne irgendwie weg, und jetzt auszuscheren, wäre auch ein Risiko. Die Fahrzeuge aus dem Tour-Tross dürfen sich zwar dem Evacuations-Konvoi anschließen, ihn aber nicht eröffnen.

Also besser warten, doch plötzlich tut sich etwas im Rückspiegel. Ein paar Polizei-Motorräder kommen angerauscht, dahinter der Bus von UAE Emirates, der Mannschaft des Tour-Dominatoren Tadej Pogacar. Der Mann im Gelben Trikot hat nach einer Etappe im Ziel immer noch ein paar Verpflichtungen zu erledigen, vielleicht hat es deswegen einen Moment länger gedauert als bei den anderen Mannschaften. In jedem Fall düst der Bus nun links vorbei, dahinter schon ein paar andere Autos, also schnell hinterher, und nun ist man wieder drin in einem Konvoi, der einen durchs Tal bringt.

Immer dem Gelben Trikot hinterherzufahren, das ist einfach das beste Prinzip, um gut durch eine Tour de France zu kommen.

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