Süddeutsche Zeitung

DFB-Team:Ter Stegen hat das größte Neuer-Potenzial

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Von Christof Kneer, München

Am Tag vor dem Länderspiel gegen Italien hat Deutschlands führender Torwartsachverständiger Andreas Köpke noch gesagt, es gebe hinter Manuel Neuer keine klare Nummer zwei und drei. Köpke erklärte, es gebe maximal "eine Nummer 2a und eine Nummer 2b", und was er damit sagen wollte, verstand man auch, ohne dass er es näher präzisierte: Im Grunde ist es ja spektakulär egal, wie man die Männer hinter Neuer nennt. Sie spielen ja sowieso nicht, und es dürfte weder am Wohlbefinden noch am Verhalten der Männer hinter Neuer etwas ändern, ob sie sich auf ihrem Banksitzplatz als Nummer zwei oder drei oder als Nummer zweidreiviertel fühlen.

Köpke ist ein alter Fahrensmann, er ist ein Zeitzeuge des deutschen Torwartkriegs (2004 - 2006), in dem sich Jens Lehmann und Oliver Kahn duellierten und jede Aussage des Sachverständigen Köpke auf ihre politische Bedeutung untersucht wurde. Deshalb hat Köpke beschlossen, dass er sich das nicht mehr antun muss: Er will keine Rangfolgen mehr erstellen müssen, um sie nach jedem neuen Bundesliga-Spieltag zu bestätigen oder wieder einzukassieren.

Ter Stegen habe "eine gewisse Ruhe und eine gute Ausstrahlung da hinten"

Immerhin hat sich Köpke vor dem Italien-Spiel locken lassen, das Feld hinter Neuer zumindest etwas zu strukturieren: Um die Plätze der EM-Torhüter 2a und 2b bewerben sich demnach Marc-André ter Stegen, Bernd Leno, Kevin Trapp und Ron-Robert Zieler. "Einem Ralf Fährmann" könne man da leider nicht mehr gerecht werden, bedauerte Köpke, was man ebenso auf einen Horn und einen Karius beziehen kann.

Offiziell ist es ein ergebnisoffener Vierkampf, den der DFB ausgerufen hat, aber inoffiziell lassen sich erste Präferenzen inzwischen deutlich sehen und hören. Ter Stegen habe "eine gewisse Ruhe und eine gute Ausstrahlung da hinten", lobte Joachim Löw nach dem 4:1, wobei nicht ganz klar wurde, ob Löw grundsätzlich sprach (dann hat er Recht) oder ob sich sein Satz auf den aktuellen Abend bezog (dann hat er allerallerhöchstens ein klitzeklitzekleines bisschen Recht).

Die Italiener gaben dem zweifellos schwer begabten ter Stegen kaum die Chance, sich mit klassischem Torwarthandwerk zu profilieren; stattdessen irritierte der Torwart aus Barcelona zwei-, dreimal mit Manuel-Neuer-Parodien. Er versuchte sich an ein paar riskanten Fußeinlagen, er wollte den Ball im Spiel halten wie Neuer, aber nach einer überflüssigen Ballweiterleitung kam extra Thomas Müller nach hinten gesaust, um dem jungen Mann ins Gewissen zu reden.

Löw will ter Stegen als Neuer-Herausforderer durchsetzen

Man suche im Spiel "immer gemeinsam nach Lösungen", hat ter Stegen später tapfer gesagt, als er auf den kleinen Dialog angesprochen wurde, der in Wahrheit eher ein Müller-Monolog war. Man habe ter Stegen in der Halbzeit aufgefordert, "beim Abspiel nicht so lange zu warten", sagte Löw später, aber es war ihm schon ein Anliegen zu betonen, "dass wir diese Art von Spielauslösung von ihm einfordern".

Die DFB-Trainer sagen es nicht laut, aber es ist ihr fester Wille, ter Stegen als Neuer-Herausforderer und - irgendwann - auch als Neuer-Nachfolger durchzusetzen. In ter Stegen erkennen sie am meisten Neuer-Potenzial, und sie haben ja nun mal festgelegt, dass der Spielstil der Elf auf einem offensiven Torwart aufbaut. Nein, nein, es gibt keine klare Nummer zwei im Tor. Aber wenn es zufällig eine gäbe, dann wäre das ganz bestimmt Marc-André ter Stegen.

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SZ vom 31.03.2016
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