Süddeutsche Zeitung

Tommy Haas verliert Finale am Rothenbaum:Gutes Näschen von Michael Stich

Lesezeit: 3 min

Im Finale war der Argentinier Juan Monaco zu stark. Trotzdem hat Tommy Haas das ATP-Turnier in seiner Heimat Hamburg nach sechs Jahren Pause eindeutig belebt. Dabei wäre er fast gar nicht mit dabei gewesen - am Anfang stand eine SMS.

Carsten Eberts, Hamburg

Die Idee mit der SMS hat Michael Stich nicht bereut. Wenige Wochen vor dem Turnier am Hamburger Rothenbaum hatte der Turnierdirektor eine schnöde Kurznachricht verschickt, der Inhalt war sehr simpel, er lautete sinngemäß: "Wenn du eine Wildcard möchtest, dann melde dich." Geschickt hatte Stich die SMS an Tommy Haas, den gerade wieder erstarkten Altmeister des deutschen Tennis, der zwar aus Hamburg stammt, jedoch seit sechs Jahren einen großen Bogen um sein Heimturnier gemacht hatte.

Haas ging kurz in sich, meldete sich tatsächlich bei Stich - und sagte zu. Nicht die schlechteste Wahl: Das Finale gegen den Argentinier Juan Monaco verlor der 34-Jährige am Sonntagnachmittag zwar, aber er hatte dem Hamburger Turnier und nicht zuletzt seinem Gönner Stich eine Woche lang verblüffend guten Sport geboten.

Auch wenn es nicht zum ersten Turniersieg am Rothenbaum reichte, zog Haas ein positives Fazit. "Ich weiß gar nicht, weshalb ich die letzten sechs Jahre nicht hier war", sagte Haas, der darüber hinaus mit seiner Leistung zufrieden sein konnte, zumal in diesem Alter: "Dass ich das noch einmal erleben durfte, macht mich unglaublich glücklich." Gegner Juan Monaco hatte indes mit den Tränen zu kämpfen. Nach dem 7:5 und 6:4 schmiss er sich schluchzend in den roten Sand, fand am Mikrofon kaum Worte. Er wird von dieser Woche an in den Top Ten der Weltrangliste platziert sein, zum ersten Mal überhaupt.

Aus dem Jahr 1997 stammte Haas' bislang bestes Ergebnis beim Hamburger Turnier. Damals erreichte er das Halbfinale, er war gerade 19 Jahre alt und stand, so wurde allerorten vermutet, vor einer erfolgreichen Zukunft. 15 Jahre später kann er auf eine Karriere zurückblicken, in der manches klappte, manches aber auch nicht. Zum Abschluss, mit 34, durfte er aber immerhin noch mal das Finale in Hamburg spielen. Und vom Titelgewinn träumen.

Er begann stark, schickte Monaco, der bislang drei von vier Aufeinandertreffen mit Haas gewonnen hatte, wuchtig in die Ecken, breakte ihn zum 3:1. Er kam gar nicht dazu, seine lieb gewonnene Show der vergangenen Tage darzubieten: Als sich Haas Match für Match auf Betriebstemperatur motzte, mit dem Stuhlschiedsrichter über klar vergebene Bälle diskutierte, mehr als nur einmal in Richtung Hallendach schrie. Und am Ende stets gewann.

Doch Monaco reagierte kühl. Die bisherige Nummer 14 der Weltrangliste, immerhin 34 Plätze vor Haas, holte sich das Break schnell zurück; und als Haas in seinem fünften Aufschlagspiel einige vermeidbare Fehler unterliefen, breakte er ihn erneut. Jetzt knallte Haas seinen Schläger mit Wucht in den roten Staub. Monaco gewann den Satz 7:5.

Der zweite Durchgang verlief ähnlich: Haas breakte früh, führte 2:0, dann spielte Monaco auf dem traditionellen Lieblingsbelag aller Argentinier seine Stärken aus. Haas setzte zahlreiche Schläge auf die Linie, spielte gefühlvolle Stopps - doch Monaco hatte meist einen noch besseren Schlag parat. "Als es darauf ankam, war er der Bessere, das muss ich anerkennen", sagte Haas später. Wegen der verpassten Olympia-Teilnahme (siehe Kommentar) liegt sein Fokus jetzt auf der Hartplatzsaison, mit den US Open als Höhepunkt. Ob er mit dem deutschen Team im September beim Davis Cup antritt, ebenfalls in Hamburg, ließ Haas offen.

Ginge es nach den Zuschauern, würde Haas in diesem Jahr noch ein zweites Mal in der Hansestadt antreten. Turnierdirektor Stich hatte, was diese Personalie anging, einen auffallend guten Riecher bewiesen. Haas war der Magnet, der einzige wohlgemerkt, der die Zuschauer anlockte. Nur wenige Meter von der Arena entfernt ist Haas aufgewachsen, die ganze Woche wurde er von seinen Eltern, seiner Freundin Sara und seiner fast zweijährigen Tochter begleitet; der Lokalpresse musste er erklären, wo er abends essen ging, welche Plätze er seiner Tochter zeigte, für die es der erste Besuch in der Stadt war. "Tommy, hol' den Pokal zurück nach Hamburg", hieß es in der kleinen Arena-Zeitung am Finaltag. Die Hansestadt war plötzlich wieder Tommy-Haas-Land.

Und Haas überzeugte vom ersten Tag an, zermürbte im Viertelfinale seinen Teamkollegen Florian Mayer, der anschließend konsterniert in der Pressekonferenz saß, schickte im Halbfinale den Kroaten Marin Cilic, den viele zuvor als den vielleicht besten Spieler des Turniers ausgemacht hatten, 7:6 und 6:0 vom Platz. "Sportlich hätte es fast nicht besser laufen können", jubilierte Turnierdirektor Stich. Wegen der nahenden Olympischen Spiele war keiner der absoluten Spitzenleute gekommen, in Haas, Mayer und Philipp Kohlschreiber standen so drei deutsche Spieler im Viertelfinale. Wegen des regnerischen Wetters kamen allerdings nur rund 55 500 Zuschauer zum Rothenbaum, womit ein Minusrekord nur knapp verfehlt wurde.

Stich war trotzdem ausgesprochen froh gestimmt: Mit seiner Agentur hat er die Option, das zuletzt kränkelnde Turnier bis 2018 auszurichten, er hofft auf noch bessere Jahre; für die kommende Ausgabe kündigte Stich sogar das Kommen echter Topmänner an. Auch die Verpflichtung von Roger Federer oder Raffael Nadal müsse keine Illusion bleiben. In diesem Jahr hieß der Topmann Tommy Haas. Im April wird er 35 Jahre alt.

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SZ vom 23.07.2012
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