Süddeutsche Zeitung

Tischtennis:Eine Liga zwischen Kondensstreifen

Lesezeit: 3 min

Nach seinem bisher größten internationalen Erfolg führt Filip Zeljko auch den TSV Bad Königshofen zum Sieg. Zeit zum Verschnaufen lässt der Wettkampfkalender den Profis nicht.

Von Andreas Liebmann

Man könnte es zusammenfassen wie in dieser Haarspray-Werbung aus den Achtzigern. Freitag, Tunesien, 27 Grad. Perfekte Form. Sonntag, Bad Königshofen, in der Halle ist es heiß. Die Form hält. Dienstag, Slowenien, draußen Dauerregen - nun ja, es geht gegen einen Chinesen, da helfen weder Form noch Haarspray.

Der Tischtennisprofi Filip Zeljko hat bewegte Tage hinter sich. In der vergangenen Woche hat der Kroate, der seit Jahren in Diensten des TSV Bad Königshofen steht, seinen bislang größten internationalen Erfolg verbucht. Er stand in Tunis im Halbfinale des dortigen WTT-Contender-Turniers, Teil der neuen Hochglanz-Weltcupserie, und er hatte auf dem Weg dorthin den Topfavoriten Patrick Franziska geschlagen, 12:10, 7:11, 11:6, 11:7, als Nummer 273 der Welt gegen die Nummer 15. Trotz der folgenden Niederlage gegen den Düsseldorfer Dang Qiu wäre das ein Erlebnis zum Feiern gewesen, zum Innehalten. Doch das sieht der Profizirkus im Tischtennis zurzeit nicht vor.

Noch am Abend steigt das Trio ins Auto, um zum nächsten Turnier zu fahren

Andreas Albert ist der Manager des Erstligisten Bad Königshofen, und er pflegt die unterfränkische Fangemeinde stets auf dem Laufenden zu halten über alle Ergebnisse seiner Spieler, mit Whatsapp-Nachrichten und Facebook-Beiträgen. Sein aktueller Star ist die elfjährige Trainertochter Koharu Itagaki, die national von Turniersieg zu Turniersieg eilt, aber auch das internationale Abschneiden seiner Profis verbreitet er zuverlässig. Und damit hat Albert viel zu tun. "Das gönne ich ihm von Herzen", kommentierte er Zeljkos Halbfinaleinzug am Freitag in Tunis, fügte aber auch an: "Jetzt wird es eng mit Sonntag." Denn da stand das Bundesliga-Heimspiel gegen Werder Bremen an, mit Zeljko, Kilian Ort und Maksim Grebnev, die alle in Tunis weilten. Und Trainer Koji Itagaki war angesichts der blendenden Verfassung des Kroaten sogar auf den verwegenen Plan gekommen, Zeljko, der zuletzt meist Ersatz war und in der Liga keins seiner drei Einzel gewonnen hatte, als Nummer eins aufzubieten.

Um es vorwegzunehmen: Es funktionierte. Nach vier Niederlagen gegen Werder Bremen gab es am Sonntag einen 3:2-Heimsieg.

Die Umstände aber klingen abenteuerlich. Am Samstag um 15 Uhr holte Albert den jungen Russen Grebnev ab, der über Moskau geflogen kam und gleich weitermusste, um einen PCR-Test fürs nächste WTT-Turnier zu machen. 16 Uhr landete Zeljko. Und kaum dass die Zuschauer am Sonntag fertig gejubelt hatten, vertilgten Ort, Grebnev und Zeljko in der Umkleide rasch ein Schnitzel und stiegen in Orts Auto, um sich noch am Abend ins slowenische Lasko aufzumachen, wo tags darauf in einer Bubble das nächste von zwei aufeinander folgenden WTT-Turnieren begann. Grebnev kam dort am Dienstag gegen einen Slowaken weiter, Ort gegen einen Rumänen.

Filip Zeljko schied aus, 1:3 gegen Liu Dingshuo.

Die Liga findet kaum noch eine Lücke und muss achtgeben, dass sie nicht untergeht

Der Erfolg von Tunis hat ihm trotzdem gut getan. "Er hat das für sein Selbstvertrauen gebraucht", weiß Albert. Dass Zeljko, der in wenigen Tagen 25 wird, zuletzt im Verein nur zusah, mag ihn im Training angetrieben haben, jedenfalls ist die Rückhand des Hochgeschwindigkeitsspielers mit den vertrackten Aufschlägen noch besser geworden, die Beinarbeit auch. Und Itagakis Plan ging auf, denn Zeljko traf am Sonntag dank der ungewöhnlichen Aufstellung zunächst auf Bremens Marcelo Aguirre, Nummer 65 der Welt, den er eben erst in Tunis überrollt hatte - und nun erneut zur Verzweiflung trieb. All seine Spieler seien besser als ihre Weltranglistenpositionen, versichert Albert.

Der Sieg gegen Bremen, mit dem sich der TSV im sicheren Mittelfeld der Bundesliga einsortierte, hätte auch klarer ausfallen können. Ort unterlag dem schwedischen WM-Zweiten von 2019, Mattias Falck, mit viel Pech, als ihm nach 8:7-Führung im fünften Satz gleich drei Bälle von der Netzkante ins Aus sprangen. Dafür holte er später das Doppel mit Routinier Bastian Steger, der sich zuvor gegen Kirill Gerassimenko durchgesetzt hatte. Grebnev blieb Zuschauer.

Die Hetzerei um die Welt sieht Albert mit Sorge, nicht nur wegen des wilden Musters aus Kondensstreifen, das er am Sonntagnachmittag beim Blick in den blauen Himmel beobachtete. "Gelernt haben wir nichts aus der Krise", sagt er. Viel zu holen gibt es für die Profis bei den neuen Turnieren nämlich nicht, Zeljkos Prämie etwa sei "ein Witz, das darf man gar nicht schreiben", erzählt er, "da lachen uns alle aus". Als Kilian Ort im August das WTT-Finale von Budapest erreichte, habe er damit gerade mal seine Kosten gedeckt. Um in der Weltrangliste nicht unterzugehen und ihre Ausrüster zufriedenzustellen, brauchen die Spieler die Turnierserie trotzdem. Die Liga allerdings, die den Profis ihr Einkommen sichert, findet kaum noch Platz zwischen den internationalen Etappen und muss laut Albert aufpassen, dass sie nicht untergeht.

Bis Mitte Dezember müssen sich Fans und Sponsoren des TSV nun gedulden, ehe es in der Liga mit dem bayerischen Derby beim punktgleichen TTC Neu-Ulm weitergeht. Sogar Bastian Steger wird in Lasko antreten, obwohl der 40-Jährige seine internationale Karriere längst beendet hat. Er will so die Pause verkürzen. Mehr als sieben Wochen sind es bis zum nächsten Heimspiel. Weihnachten in Unterfranken - die Form hält?

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5454558
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.