Süddeutsche Zeitung

Tischtennis-Bundesliga:Kaum noch Luft zum Atmen

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Der Tischtennisweltverband will seine Serie massiv ausweiten - das könnte das Ende von Traditionsligen wie der deutschen Bundesliga bedeuten.

Kommentar von Ulrich Hartmann

Timo Boll ist am Montag 40 Jahre alt geworden. In der Weltrangliste ist er als Zehnter noch immer der beste deutsche Tischtennisspieler. Umso wichtiger wird die Aufgabe, international konkurrenzfähige deutsche Spieler zu entwickeln.

Ausgebildet werden die Talente an jenen Bundesliga-Standorten, die nun durch eine grundlegend veränderte Turnierordnung des Weltverbands in Gefahr geraten könnten. Eine umfangreiche neue Serie namens "World Table Tennis" (WTT) beansprucht deutlich mehr Termine und erschwert widerwilligen Athleten Absagen dadurch, dass sie ihnen Punkte für die Weltrangliste abzuziehen droht. Topspieler müssten sich dann entscheiden: WTT-Turniere oder Bundesliga.

Das globale Tischtennis wäre gerne so wie Tennis oder Golf. Vier Großturniere namens "Grand Smashes" mit je drei Millionen Dollar Preisgeld sollen zum Nonplusultra werden. 28 weitere Turniere plus "Grand Finals" bilden den Unterbau. Für traditionelle Wettbewerbe bliebe kaum noch Luft zum Atmen. Auch die Bundesliga spürt schon ein Kratzen im Hals.

Auch internationale Spieler profitieren von der Bundesliga

Dabei ist sie für das deutsche Tischtennis heilig. Prominente Spieler bringen die große weite Welt in die Provinz. Der schwedische Vize-Weltmeister Mattias Falck spielt für Werder Bremen, der brasilianische Weltranglisten-Sechste Hugo Calderano für Ochsenhausen, der Nigerianer Quadri Aruna für Fulda-Maberzell. Jeder vierte Profi aus den Top 60 der Weltrangliste spielt in der Bundesliga.

Noch wichtiger für das deutsche Tischtennis sind die Trainingsmöglichkeiten an den Bundesliga-Standorten. Ohne diese Infrastruktur gäbe es aus Deutschland keine internationalen Topspieler. Patrick Franziska aus Saarbrücken, Benedikt Duda aus Bergneustadt und Dang Qiu aus Grünwettersbach versuchen sich im Fahrwasser deutscher Vorbilder wie Timo Boll und Dimitrij Ovtcharov zu etablieren.

Aber auch internationale Spieler profitieren von der Bundesliga. Der Brasilianer Calderano, der bald nicht mehr für den TTC Ochsenhausen spielt, um sich auf die neue Turnierserie zu fokussieren, will trotzdem in Ochsenhausen wohnen bleiben, um weiter die hervorragenden Bedingungen nutzen zu können.

Diesem Grundgerüst des deutschen Tischtennis droht das globale Konzept die Schrauben herauszudrehen. Die Bundesligisten fühlen sich übergangen. Nächste Woche schalten sich Andreas Preuß, Kristijan Pejinovic und Karl Kamps als Aufsichtsrat der Bundesliga sowie deren Manager Nico Stehle und der Sportdirektor Richard Prause vom Deutschen Tischtennis-Bund mit dem WTT-Europa-Manager Jonny Cowan zusammen. Sie wollen mehr über die Turnierserie wissen und den eigenen Standpunkt verdeutlichen. Kompromisse scheinen geboten. Doch mit ihren Topstars, ihrer professionellen Infrastruktur und einem Jahresumsatz Richtung fünf Millionen Euro muss sich die Bundesliga nicht verstecken. Der Aufsichtsratsboss Preuß verspricht: "Wir lösen uns nicht auf!" Ein tröstlicher Gedanke - auch für Altmeister Boll und sein Vermächtnis.

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