Süddeutsche Zeitung

Tischtennis-Bundesliga:Vorhang auf!

Lesezeit: 3 min

Der TSV Schwabhausen zeigt im ersten Heimspiel der Saison eine vielversprechende Teamleistung. Mit 6:3 setzt er sich gegen den TTC Weinheim durch.

Von Andreas Liebmann

Er hätte sich prima als gutes Omen deuten lassen, jener kleine Sonnenstrahl, der am vergangenen Samstag unerwartet in die Heinrich-Loder-Sporthalle eindrang. 2:2 stand es in der Tischtennis-Erstligapartie des TSV Schwabhausen gegen den TTC Weinheim, kurz zuvor hatte TSV-Trainer Alexander Yahmed im Vorbeigehen, mit sorgenvoll gerunzelter Stirn und einer Wurstsemmel vor dem Mund, noch geraunt: "Läuft nicht gut heute." Alina Nikitchanka aber, Schwabhausens Abwehrspezialistin aus Belarus, sah dann gar nicht so aus, als schiene ihr plötzlich ein gutes Omen ins Gesicht wie ein göttlicher Lichtstrahl. Im Gegenteil: Die Sonne, die durch einen Spalt zwischen dem dicken Vorhang und dem Mauerwerk schien, blendete die 24-Jährige. Den ersten Satz hatte sie mit einiger Mühe gewonnen gegen Luisa Säger, eine derartige Störung konnte sie nach dem Seitenwechsel aber keinesfalls gebrauchen.

"Ich hatte den ganzen Tag kein gutes Gefühl", sagte Yahmed später, nun sei er froh, "dass wir gewonnen haben". 6:3 hieß es am Ende, im ersten Heimspiel der Saison, zu dem auch wieder Publikum zugelassen war - allerdings saßen auf weit auseinander gestellten Stühlen sehr viel weniger Besucher als noch vor der Pandemie.

Rein sportlich will Yahmeds Team offenbar genau dort weitermachen, wo es in der vergangenen Saison aufgehört hat, als es nach der Hauptrunde auf Platz vier stand, sogar punktgleich mit dem Dritten. Zum Saisonauftakt sechs Tage zuvor hatte es eine knappe Niederlage beim Serienmeister Berlin bezogen, ein 4:6, bei dem die Gäste aus dem Landkreis Dachau mehr Punkte gemacht hatten als der Favorit (388:373), mehr Sätze gewonnen (22:19), aber trotzdem nicht mehr Spiele, weil alle vier Fünfsatzpartien an Berlin gingen. "Ein Unentschieden wäre verdient gewesen", fand Schwabhausens Anführerin Sabine Winter, dennoch bezeichnete sie den Auftakt als "absolut vernünftige Vorstellung". Umso wichtiger sei es nach dieser Niederlage gewesen, gegen Weinheim zu gewinnen, einen "direkten Konkurrenten um die Playoff-Plätze".

Tags darauf in Kolbermoor verdeutlichen die Gäste aus Weinheim, wie gefährlich sie sein können

Wie gefährlich die Gegnerinnen sein können, sollten diese tags darauf mit einem Remis in Kolbermoor verdeutlichen, über das sich die Gastgeberinnen geärgert haben dürften: Den 0:2-Rückstand nach den Doppeln hatten sie schnell ausgeglichen, dann vermochte Kolbermoors nach Verletzung zurückgekehrte Yuan Wan ihre 2:0-Satzführung gegen Trigolos nicht zu nutzen und die junge Naomi Pranjkovic vergab im letzten Einzel eine 10:5-Führung im dritten Satz gegen Jennie Wolf, die sie mit 2:1 in Führung gebracht hätte.

Schwabhausens Kader ist komplett gleichgeblieben, bis auf die in Australien lebende junge Chinesin Liu Yangzi, die als neue Nummer eins auf der Rangliste steht, von der man aber nicht sicher weiß, ob und wann sie mal zum Einsatz kommt. Einstweilen bleibt die Verantwortung einer Spitzenspielerin also auf Sabine Winter lasten. "Sabine war heute der Schlüssel", lobte sie Trainer Yahmed nach der Partie gegen Weinheim, in der sie mit Orsolya Feher das Doppel und anschließend ihre Einzel gegen Daria Trigolos und Caroline Kumahara gewann, allesamt deutlich, ohne Satzverlust. "Die können schon was", sagte Winter später über ihre Kontrahentinnen, andererseits habe sie vor dem Spiel gewusst, "dass ich besser gewinnen sollte, wenn es für die Mannschaft reichen soll". Also setzte sich die Nummer 116 der Welt (die freilich mal deutlich höher stand) verblüffend souverän gegen eine Belarussin und eine Brasilianerin durch, die in der Weltrangliste auf den Positionen 103 und 141 zu finden sind und beide auch schon unter den Top 100 geführt wurden.

Am Ende trug aber jede der fünf eingesetzten Spielerinnen zum Schwabhauser Gesamtsieg bei, und das war auch nötig. Vor allem für Mateja Jeger dürfte der Erfolg gegen Trigolos bedeutsam gewesen sein, nachdem sie in Berlin beide Einzel und gegen Weinheim zunächst 0:3 gegen Kumahara verloren hatte, mit der sie gar nicht zurechtkam. "Eine ganz starke Leistung", schwärmte Yahmed danach, der sichtlich froh war, seine Nummer zwei nicht mühsam wieder aufrichten zu müssen. "Ich hatte eine gute Taktik diesmal" sagte Jeger zu ihrem Erfolg, "ich war fokussiert, und sie hatte, glaub ich, Probleme mit meinem Noppen." Mercedesz Nagyvaradi zeigte nach ihrer Niederlage gegen Sophia Klee ebenfalls eine starke Reaktion, obwohl sie sich mit den vielen langsamen Bällen, die sie im zweiten Einzel von Säger erhielt, gar nicht so wohl gefühlt habe - Nagyvaradi mag es, wenn es über dem Tisch schnell zugeht.

Und Nikitchanka? Während sie spielte, wurden immer längere Stangen und Holzlatten geholt, mit deren Hilfe der Spalt im Vorhang zugezogen werde sollte, Winter streckte sich dafür auf einem Stuhl und bekam sogar Applaus. Nikitchanka ließ sich nicht ablenken, sie setzte sich gegen Säger 11:9, 11:6, 11:6 durch. "Sie hatte nur ein Spiel, das war überragend", lobte Yahmed. Während Winter dann ihr zweites Einzel spielte, kletterte Calin Covaciu aus dem TSV-Trainerteam auf einen herbeigefahrenen Tisch und klebte den Vorhang rabiat mit Panzertape an die Wand. Sie brauchten kein Omen. Nur eine gute Leistung.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5410197
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.