Süddeutsche Zeitung

Tennis:Loch ohne Ausweg

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Vor dem Heimspiel beim Turnier in München sucht der Weltranglistendritte Alexander Zverev seine Form.

Von Gerald Kleffmann, Barcelona/Stuttgart

Es waren offene Worte, die Alexander Zverev am Dienstagabend sprach in Barcelona, aber sie taten ihm natürlich weh. "Ich habe einfach schlecht gespielt, das ist kein Geheimnis", sagte er, "das Tennis war sehr schlechtes Level. Die meisten Punkte, die ich gewann, waren leichte Fehler von ihm." Damit meinte er seinen Gegner Nicolas Jarry, 23. Der großgewachsene Chilene ist die Nummer 81 in der Weltrangliste und einer, den die Branche aufmerksam beäugt, weil er sich prächtig entwickelt. Noch mehr Interesse indes zieht gerade Zverev selbst auf sich, denn dass er in Spanien bei dem ATP-Turnier der 500er-Kategorie nach einem Freilos mit 6:3, 5:7, 6:7 (5) ausschied, inklusive eines vergebenen Matchballes bei 6:5 im dritten Satz, zementierte einen Status quo des Deutschen, den er so umschrieb: "Ich bin in einem Loch, und ich weiß nicht, wie ich da rauskomme."

Zverev befindet sich tatsächlich in einer Phase, die er in der Art noch nie erlebt hat. Er ist immer noch die Nummer drei der Weltrangliste, in Barcelona war er hinter Rafael Nadal an Nummer zwei gesetzt. Aber die Saison 2019 verläuft für den seit Samstag 22 Jahre alten Profi in der Summe enttäuschend. Bei den Australian Open verlor er im Achtelfinale gegen den Kanadier Milos Raonic, zu früh für seine Ansprüche. Gerade bei den Grand Slams will er es ja dauerhaft besser machen.

Dann folgte ein guter Abschnitt für Zverev, in dem er dem deutschen Davis-Cup-Team zum Erreichen der Endrunde verhalf beim deutlichen Sieg gegen Ungarn in Frankfurt. In Acapulco erreichte er das Finale, erst der Australier Nick Kyrgios bezwang ihn dort. Doch als er sich eine Erkältung einfing, warf ihn das aus der Bahn. In Indian Wells unterlag er angeschlagen in der dritten Runde dem Davis-Cup-Kollegen Jan-Lennard Struff, in Miami in der zweiten Runde dem bald zurücktretenden Spanier David Ferrer. Eine Auszeit sollte helfen, zu Kräften zu kommen. "Im Tennis kann es sehr schnell gehen", sagte er kürzlich und meinte damit natürlich einen erhofften Umschwung zum Positiven. Das Gegenteil trat ein.

Mit seinem langjährigen Manager Patricio Apey befindet sich Zverev gerade in einem Rechtsstreit

Kurzfristig hatte er eine Wildcard in Marrakesch angenommen, um Matchpraxis zu sammeln. Er verlor in der zweiten Runde gegen den Spanier Jaume Munar, 21. In Monte Carlo scheiterte er am späteren Sieger Fabio Fognini, was zumindest im Rückblick akzeptabel wirkt. Barcelona hatte er daher spontan in den Turnierkalender aufgenommen. Jarry, als Lucky Loser aus der Qualifikation ins Hauptfeld gelangt, fügte Zverev jedoch die fünfte Niederlage in den letzten acht Matches zu. Der Trend ist nun nicht mehr zu übersehen. Nicht dramatisch, aber völlig neu für Zverev. Von Ivan Lendl, seinem renommierten Trainer, hört man übrigens zurzeit aus speziellem Grunde nichts. Der frühere Weltranglisten-Erste meide aufgrund einer Pollenallergie im Frühjahr immer Europa, verriet Zverev der Zeitschrift Sport-Bild.

Spannungsgeladen ist in jedem Fall etwas anderes. Mit seinem langjährigen Manager Patricio Apey befindet sich Zverev in einem Rechtsstreit. Dabei waren jahrelang die Harmonie und der Zusammenhalt beschworen worden im Clan der Zverevs, zu dem auch der Chilene Apey gehört hatte. Spekulationen tauchten auf, Zverev könnte sich dem Management von Roger Federer anschließen, dem Vernehmen nach soll es eine lose Kontaktaufnahme aus dem Umfeld von Tony Godsick gegeben haben. So hatte es offenbar ein anderer Manager aus der Szene mitbekommen. Neuerdings scheint auch eine andere Option möglich zu sein: Mischa Zverev, Alexanders zehn Jahre älterer Bruder, gilt als weiterer Kandidat, der als Berater die Geschäfte von Alexander verantworten könnte.

In den vergangenen zwei Jahren waren die beiden das bemerkenswerteste, weil erfolgreichste Brüderpaar der Tour. Nun straucheln beide, Mischa noch viel dramatischer. 2017 hatte er das Viertelfinale der Australian Open erreicht und sich danach lange in den Top 50 aufgehalten, einmal wurde er auf Rang 25 geführt. In Barcelona kassierte er wieder eine von vielen frühen Niederlagen, er droht aus den Top 100 zu rutschen. Ausgesorgt hat er längst, als junger Vater zudem neue Prioritäten im Leben. Für Mischa Zverev dürfte es um den Übergang in die Karriere danach gehen.

Alexander Zverev dagegen ist erst seit vier Jahren volljährig, das wird manchmal fast übersehen angesichts seiner Dauerpräsenz in den Top Ten seit Juli 2017. Das Überraschende war vielleicht umso mehr, dass er - abgesehen von der mäßigen Grand-Slam-Bilanz - nicht viele Schwankungen zeigte. Nun stößt auch er an Grenzen. Er kann Siege nicht erzwingen, auch wenn er es noch so will und, wie er vor Barcelona betonte, "ganz gesund" sei.

Sein Start bei den BMW Open in München in der kommenden Woche steht damit unter pikanten Vorzeichen. Er ist nicht nur der Titelverteidiger, der dieses ATP-Turnier der 250er-Kategorie in der Heimat auf dem Weg zu den French Open eben mitnimmt und den Rundum-Service genießt. Er ist ein Formsuchender, der bis Paris viele Punkte verlieren kann. In München (250) und Madrid (1000) hatte er 2018 gesiegt, in Rom (600) das Finale erreicht. Addiert geht es um fast so viele Punkte wie bei einem Grand-Slam-Sieg (2000). Die erste Hürde sollte er bewältigen. Am Freitag ist ein Show-Doppel angekündigt in München, mit Lena Gercke tritt Zverev gegen den Turnierdirektor Patrik Kühnen und den Politiker Markus Söder an. Wie sehr ihm ein solcher Einsatz derzeit Spaß macht, ist eine andere Frage.

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Quelle:
SZ vom 25.04.2019
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