Süddeutsche Zeitung

Tennis:Aufschlag, Return, Punkt

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Mit Serena Williams ist noch keine Tennisspielerin verglichen worden. Nun wird es aber die Weißrussin Aryna Sabalenka, die so hart und schnell spielt.

Von Gerald Kleffmann, Braunschweig

Es war ein eigenartiges Szenario. Die deutschen Tennisspielerinnen schritten über den Platz und ließen sich noch mal feiern, die Zuschauer in der VW Halle klatschten und winkten zurück. Mit 0:4 hatte die Auswahl des Deutschen Tennis-Bundes gegen Weißrussland die Erstrundenpartie im Fed Cup verloren, in Abwesenheit der Spitzenkräfte Angelique Kerber und Julia Görges hatten Tatjana Maria, Andrea Petkovic, Laura Siegemund, Mona Barthel und Anna-Lena Grönefeld immerhin im Rahmen ihrer Möglichkeiten gekämpft. "Sie haben sich das verdient", sagte Barbara Rittner, Chefin der Frauensparte beim DTB, zur positiven Resonanz.

Zudem wusste sie: "Es macht es einfacher zu akzeptieren, weil sie eine Klasse für sich war."

Sie sprach von der Nummer eins der Weißrussinnen und outete sich bei der Gelegenheit: "Ich bin eh ein Sabalenka-Fan. Sie ist seit zwei, drei Grand-Slams bei mir so eine Titelfavoritin", sagte Rittner. Warum, hat die 20-Jährige in Braunschweig vorgeführt: Petkovic und Siegemund ließ sie nur fünf Spiele gewinnen, 6:2, 6:1 und 6:1, 6:1. Manchmal raunten die Zuschauer. Raunen ist eine besonders ehrfurchtsvolle Form der Anerkennung.

In den vergangenen Jahren standen vor allem aufregende neue Talente im Männertennis im Fokus, die hoch schossen, Alexander Zverev, Stefanos Tsitsipas, Frances Tiafoe, Karen Katschanow. Als "nextgen", die nächste Generation wurden sie vermarktet, bei den Frauen fehlte so eine Gruppe. Nun aber kommt Bewegung in deren Tour: Auf spektakuläre Art ist Naomi Osaka mit zwei Grand-Slam-Triumphen zur Nummer eins geworden. Und Sabalenka ist die nächste der Jüngeren, der ähnliche Erfolge zugetraut werden. Für Rittner steht fest: "Das sind die beiden Spielerinnen der kommenden Jahre."

Sabalenka war keine, die je als Wunderkind bezeichnet wurde, aber ihre Entwicklung schritt stets konsequent voran. Ihr Vater war ein Hockeyspieler, als sie zufällig eine Tennisanlage in Minsk passierten, überlegten sie sich, dass Aryna ja mal diesen Sport probieren könnte. Sie zeigte schon Talent, wurde auch in die nationale Akademie in Minsk aufgenommen, ging aber einen ungewöhnlichen Weg. Sabalenka nahm, noch ehe sie höherklassige Jugendturniere bestritt, zunächst an unterklassigen Frauenevents der ITF-Serie teil. Der Schritt zum Profitum war umso kleiner. 2016 stieß sie in die Top 300 vor, 2017 erreichte sie die Top 100, 2018 die Top 50, vor einer Woche rückte sie in die Top Ten auf. Neunte ist sie, dank dreier Titel, 2018 siegte sie in New Haven und Wuhan, 2019 in Shenzhen. Erstaunlich ist auch, wen sie schon alles bezwang: Karolina Pliskova, Elina Switolina, Petra Kvitova, Sloane Stephens, Julia Görges. Bei den US Open 2018 gewann sie als einzige einen Satz gegen Osaka. Ihre "Furchtlosigkeit" zeichne sie aus, sagte Petkovic in Braunschweig.

Besonders anschaulich erklärte Siegemund das Phänomen Sabalenka: "Da ist so ein Druck die ganze Zeit da, von ihren Schlägen her. Sie ist groß, ein Tier, sage ich jetzt mal, von der Präsenz her." Sie meinte das nicht abschätzig, im Gegenteil. Aber die opulente Statur, wie auch immer Sabalenka sie sich antrainiert hat, beeindruckt die Gegnerinnen. Und sie gibt ihr bei den harten Schlägen die Kraft, die sie richtig justiert. "Sie überpowert nicht so, wie es andere machen", sagte Siegemund. Sie sei noch besser geworden, seit sie nicht mehr versuche, "mit jedem Schlag den Punkt zu machen", erklärte einmal Dimitri Tursunow, Sabalenkas Trainer.

Wenn Sabalenka aber in einen Flow kommt, wie es der deutsche Fed-Cup-Teamchef Jens Gerlach empfand, sehen ihre Aktionen wie Schnellfeuergeschütze aus. "Der Ballwechsel entscheidet sich bei ihr in den ersten zwei Schlägen", sagte Siegemund. "Aufschlag, erster Ball. Return, erster Ball. Wenn du da nicht wirklich gut reinkommst, ist der Punkt gelaufen." Für sie stand fest: "Das hat mich schon an Serena erinnert." Mit Serena Williams ist im Grunde in den letzten 20 Jahren noch keine verglichen worden. Das unterstreicht die Erwartungshaltung in Sabalenka.

Sie selbst kennt diese längst, sie muss lernen, sie auszublenden, gab sie nun zu. "Ich werde dann ein bisschen steif", sagte Sabalenka, wenn sie zu viel nachdenke. Sie müsse nur an ihr Spiel denken. Bei den Australian Open gelang ihr das nicht, sie scheiterte an der jungen Amerikanerin Amanda Anisimowa, auch hoch gehandelt. Sie muss erst mal ankommen in der Elite, auch mental, gab sie zu verstehen. Sie hätte gedacht, es würde leichter, wenn sie mal in den Top Ten stünde. Weil sie einfacher gegen andere gewänne. "Aber du musst noch mehr arbeiten", sagte sie, weil die anderen nun motivierter in Matches gegen sie seien. Sie lächelte dazu. Unwohl fühlt sich Aryna Sabalenka sicher nicht in ihrer Rolle als neues, großes Versprechen des Frauentennis.

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SZ vom 12.02.2019
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