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Super Bowl:Helferlein, auf die es ankommen wird

Lesezeit: 3 min

Der Super Bowl wird zum Duell der Quarterbacks Patrick Mahomes und Tom Brady stilisiert - doch auf wen sollte man noch achten? Ein Überblick.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt diese Unart im US-amerikanischen Fernsehen, Partien in Mannschaftssportarten als Duelle formidabler Einzelkönner auszurufen - bei denen andere Leute nur deshalb auf dem Spielfeld sind, damit es den Regeln entspricht. Beim Super Bowl ist das nicht anders, das Endspiel der US-Footballliga NFL wird vermarktet als Duell zwischen Patrick Mahomes (und seinen Kansas City Chiefs) und Tom Brady (und seinen Tampa Bay Buccaneers). Es spielen aber dann schon noch andere Akteure eine prägende Rolle. Hier sind die Spieler, auf die Zuschauer an diesem Sonntag besonders achten sollten.

Tyreek Hill (Chiefs, Wide Receiver)

Bewegt sich wie eine Mischung der Comicfiguren Speedy Gonzales und Roadrunner, und lässt seine Gegenspieler oftmals so aussehen wie deren Kontrahenten Sylvester und Wile E. Coyote. Lief als Teenager 100 Meter (mit Hilfe des Windes von 5 Meilen pro Sekunde) in 9,98 Sekunden, gilt aufgrund der Haken, die er schlägt, als nicht von einem einzigen Gegenspieler zu bewachen. Fing in der regulären Saison 87 Pässe für einen Raumgewinn von 1276 Yards, in den Playoffs kamen noch einmal 17 Fänge (282 Yards) dazu; darunter einer gegen die Buffalo Bills und der anschließende Lauf, der selbst in Zeitlupe so aussah, als hätte jemand die Schnellvorlauftaste gedrückt.

Rob Gronkowski (Buccaneers, Tight End)

Bewegt sich mit der Grazie eines mittelschweren Haflingers, was allerdings bei seinen Maßen (120 Kilo verteilen sich auf 1,98 Meter) nicht verwundert. Sternzeichen: Schlawiner, was sich zum Beispiel daran zeigt, dass die Buccaneers nach seiner Pause (er hatte seine Karriere 2019 beendet und kam nur wegen Kumpel Brady nach Tampa Bay) forderten, er möge aufgrund der Coronavirus-Pandemie und zur Prüfung seines Trainingsfleißes täglich Videos von Sprintübungen schicken. Gronkowski ging also auf den Trainingsplatz, wechselte andauernd die Klamotten und schickte seinem Verein täglich ein Video davon, während er andere Dinge tat. Nicht mehr so gefährlich wie einst (er ist 31 Jahre alt), aber immer noch und gerade in kniffligen Momenten anspielbar.

Tyrann Mathieu (Chiefs, Safety)

Hat zwei Spitznamen - was daran liegt, dass er sich selbst zwei Persönlichkeiten zuschreibt. Der eine: Honey Badger, also ein Honigdachs, bekannt für Kraft, Mut, Unnachgiebigkeit und die Fähigkeit, unentdeckt zu bleiben. Ein Beispiel: Beim Viertelfinale gegen die Cleveland Browns legte sich Mathieu (1,75 Meter, 86 Kilo) furchtlos mit dem 55 Kilo schwereren Wyatt Teller an. Er wurde zu Boden gerammt, sprang jedoch sofort auf und brüllte: "Siehst du das? Hahaha, Raumverlust für euch!" Er gilt nun aber auch als The Landlord, also der Vermieter. Er passt auf seine Mitspieler auf und ist auch mal selbstironisch. Über das Duell mit Teller teilte er den Kollegen noch auf dem Spielfeld mit: "Hat der mich auf den Arsch gesetzt!" Ist mit 48 Tackles und sechs Interceptions in dieser Saison einer der besten Verteidiger der Liga.

Sean Murphy-Bunting (Buccaneers, Cornerback)

Das Problem für Tampa Bays Defensiv-Koordinator Todd Bowles: Die Chiefs verfügen über derart viele grandiose Passempfänger (Tyreek Hill, Sammy Watkins, Travis Kelce), die allesamt in Doppeldeckung gehören, dass irgendwann die Verteidiger ausgehen. Murphy-Bunting gilt als einer, der es tatsächlich alleine mit Kelce aufnehmen könnte - bei der Partie während der regulären Saison hat er das immer wieder erfolgreich getan und damit tatsächlich für Probleme bei den Chiefs gesorgt. Kann Laufwege verhindern, aber auch Raumgewinn nach einem Fang, wofür Kelce aufgrund seiner Athletik bekannt ist.

Chris Jones (Chiefs, Defensive Lineman)

Wie man Tom Brady aus der Ruhe bringen kann? Nun, es gab Strategien, die möglichst viele Verteidiger auf die Jagd nach dem Quarterback schickten - mit dem Resultat, dass dann eine Anspielstation frei sein musste und Brady diese oft identifizierte und einen kurzen Pass an den Mann brachte, bevor er umgerissen wurde. Was es wirklich braucht: einen in der Defensive Line, der seinen Gegenspieler übertölpelt und selbst durchdringt. Jones schaffte in dieser Saison 7,5 Sacks (Sack = wenn man den gegnerischen Spielmacher umreißt), 44 Mal hat er den Quarterback unter Druck gesetzt.

Scotty Miller (Buccaneers, Wide Receiver)

Okay, wo fängt man an, wenn man mögliche Anspielstationen für Brady beschreiben muss? Es gibt Mike Evans, der in dieser Saison 70 Pässe für 1006 Yards Raumgewinn gefangen hat. Es gibt Chris Godwin (65 Fänge, 840 Yards) und Gronkowski, es gibt Antonio Brown, einst der gefährlichste Receiver der Liga, nach vielen Problemen abseits des Feldes (deren Aufzählung das Kapitel eines Buches füllen würden) in Tampa Bay gelandet und von Brady eingenordet. Und es gibt eben Scotty Miller, der im Halbfinale gegen die Packers diesen unfassbaren Pass von Brady fing. Er profitiert davon, dass die Buccaneers so viele Waffen haben, dass er nun selbst häufiger glänzen darf. Brady wird am Sonntag darauf achten, ob Miller frei ist.

Mecole Hardman (Chiefs, Wide Receiver)

Ähnliches Phänomen wie Miller in Tampa Bay: Die Chiefs haben die grandiosen Fänger Hill, Kelce und Watkins, sie haben die Laufspieler Clyde Edwards-Helaire und Le'Veon Bell (und natürlich kann Quarterback Mahomes auch selbst laufen) - da ist plötzlich Platz für andere Spieler wie Demarcus Robinson, Byron Pringle oder Mecole Hardman. Der junge Receiver ist auch deshalb bei Cheftrainer Andy Reid beliebt, weil er nicht nur bei langen Pässen, sondern auch bei Lauf-Trickspielzügen wie im Halbfinale gegen die Bills eingesetzt werden kann.

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