Süddeutsche Zeitung

Stekos Fight Night:Vertrauen in die eigene Urgewalt

Lesezeit: 3 min

Leon Gavanas verteidigt gegen den ehemaligen Weltmeister Dario Kadic seinen EM-Gürtel. Damit belohnt sich der Peitinger für seinen enormen Aufwand: Er arbeitet hauptberuflich als Justizvollzugsbeamter.

Von Christian Bernhard

Pavlica und sein Sohn Ivan Steko versuchten alles, um von außen Einfluss auf ihren Sportler zu nehmen. "Wir haben uns die Seele aus dem Leib geschrien", erzählte Ivan hinterher. Das Trainerduo wollte, dass Leon Gavanas es im Ring etwas ruhiger angeht. Vergeblich. Der 23-jährige Kickboxer aus Peiting ging es am Freitagabend im Circus Krone forsch an - und entschied den Kampf gegen Dario Kadic aus Bosnien und Herzegowina bereits in der zweiten von fünf angesetzten Runden für sich. Der Ringrichter brach den Kampf ab, da der 34-jährige ehemalige Weltmeister Kadic mehrmals zu Boden gegangen war und dreimal angezählt wurde.

"Leon wollte es so - und er hat es auch so gemacht", erklärte Ivan Steko lächelnd. Auch Gavanas sprach von einem "wilden" Kampf, der ihm die Titelverteidigung des Europameisterschaftsgürtels der World Kickboxing and Karate Union (WKU) im Superschwergewicht bis 95 Kilogramm brachte .

Begonnen hat Gavanas' Sportkarriere im Alter von drei Jahren - im Peitinger Eishockey

Seit Ostern, knapp elf Wochen lang, hatte sich Gavanas gezielt auf diesen Kampf vorbereitet, mit zwei Trainingseinheiten pro Tag. Da er als Justizvollzugsbeamter in der JVA Landsberg am Lech arbeitet, hatte er ein intensives Programm abzuspulen. "Training, Arbeit, Training, Arbeit", so sahen seine vergangenen Monate aus, erzählte er hinter der Bühne des Circus Krone, während eine kleine Platzwunde an seiner Stirn versorgt wurde. Nur das Wochenende sei erholsam gewesen, berichtete Gavanas, denn da konnte er sich "ganz aufs Training konzentrieren." Zehn Kilogramm Gewicht machte er für den Kampf.

Zielstrebiges und regelmäßiges Training ist Gavanas schon von klein auf gewohnt. Seine sportliche Karriere begann er im Alter von drei Jahren - als Eishockeyspieler beim EC Peiting. Als er in seiner Jugend die Möglichkeit bekam, auf ein Sportinternat zu gehen, um sich in Richtung Profi-Eishockey zu entwickeln, entschied sich der heute 23-Jährige dagegen, denn da boxte er nebenbei bereits und wollte das nicht fürs Eishockey aufgeben. Allerdings war es im Nachwuchsboxen relativ schwierig, Kämpfe zu bekommen, weshalb er mit 15 parallel mit dem Kickboxen begann - so wie sein Vater früher. Ein Jahr lang übte er beide Kampfsportarten aus und machte parallel dazu seine Ausbildung, "eine anstrengende Zeit", wie er rückblickend sagte. Die Entscheidung, sich aufs Kickboxen zu konzentrieren, traf er schließlich, da ihm das vielseitigere und "agilere" Training mehr zusagte. Beine, Knie, Sprünge: Gavanas fühlte sich im Vergleich zum Boxen "freier". Mittlerweile bestreitet er seit vier Jahren professionelle Kickboxkämpfe.

Das Publikum freut sich über das Spektakel, für die Trainer "war es die Hölle"

Und das sehr erfolgreich. Im Februar sicherte er sich gegen den Spanier David Trallero, einen ehemaligen MMA-Weltmeister, ebenfalls in München erstmals den EM-Titel. Seine Kampfbilanz: 24 Kämpfe, 22 Siege, ein Unentschieden und nur eine Niederlage. Gavanas ist mittlerweile seit mehr als drei Jahren ungeschlagen.

Ivan Steko lobt Gavanas "Kämpferherz", das auch am Freitag gefragt war. Wegen seines ungestümen Herangehens bekam er mehrmals die starke Linke Kadics zu spüren, ging zweimal zu Boden und wurde vom Ringrichter angezählt. "In der ersten Runde ist sehr viel passiert", sagte der 23-Jährige lachend. Gavanas' größte Stärke ist laut Ivan Steko die "Urgewalt", die in seiner Schlagkraft stecke, "da bleiben nicht viele stehen". Auch der erfahrene Kadic, der sich nach dem Kampf auch mithilfe eines Latte-Macchiato-Bechers aus dem Kühlregal zu erholen versuchte, bekam das zu spüren.

Welcher Kampf für Gavanas als nächster ansteht, ist noch offen. Vielleicht ein Zwischenkampf, vielleicht schon bald ein WM-Kampf, je nachdem, wie er sich fühle. Gavanas will es nicht zu schnell angehen, denn "meistens geht es schnell wieder nach unten, wenn es schnell nach oben geht". Ivan Steko traut Gavanas "so einiges" zu, auch den WM-Titel. Dafür brauche er noch ein wenig Ring-Erfahrung - und etwas mehr Ruhe in gewissen Situationen. Das würde auch seine Trainer etwas beruhigen. Denn so spektakulär der Kampf am Freitag für das Publikum gewesen sei, sagte Steko junior, "für meinen Vater und mich in der Ecke war es die Hölle".

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