Süddeutsche Zeitung

Anton Stach im DFB-Team:Eine schrecklich sportliche Familie

Lesezeit: 3 min

Die Nationalelf-Nominierung des Mainzers Anton Stach kommt angesichts der Vita von Vater, Mutter und Schwestern nicht überraschend. Trotzdem ist der Mittelfeldspieler von seinem eigenen Aufstieg überrumpelt.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Die Rahmenbedingungen waren mal wieder bestens, als die deutsche Nationalmannschaft am Dienstagmorgen zum ersten Training zusammenkam: ein akkurat gepflegter Rasenplatz vor der mächtigen Frankfurter Arena, frühlingshafte Temperaturen und ein wolkenloser Himmel, an dem sich nur Kondensstreifen von Flugzeugen abzeichneten. In diesem Ambiente leitete Hansi Flick die erste Übungseinheit für die beiden Test-Länderspiele gegen Israel in Sinsheim (Samstag 20.45 Uhr) und drei Tage später gegen die Niederlande in Amsterdam (20.45 Uhr).

Unter dem wachen Blick des Bundestrainers bewegte sich im Pulk, eingereiht von reichlich Prominenz, auch Anton Stach, 23 - der Überraschungsgast des aktuellen Aufgebots. Selbst sein Vereinstrainer beim FSV Mainz 05, Bo Svensson, war ein bisschen überrumpelt von Stachs erstmaliger Nominierung für die A-Nationalelf, "weil er vor drei, vier Monaten noch nicht einmal bei uns gesetzt war".

Der defensive Mittelfeldspieler, der gerade 21 Bundesligaspiele hinter sich hat, sagte zuletzt selbst: "Viele kennen mich bestimmt gar nicht." Doch mittlerweile hat sich über Stach herumgesprochen, dass er, der nächste zu Hansi Flick beförderte U21-Europameister 2021, aus einer schrecklich sportlichen Familie stammt, die disziplinübergreifend einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hat.

Stachs Mutter Julia war eine erfolgreiche Handballerin, Vater Matthias ein passabler Tennisspieler, der sich später an der Seite von Boris Becker einen Ruf als profunder Eurosport-Kommentator erworben hat. Es ist aber auch schon vorgekommen, dass der Vater plötzlich Fußballspiele seines Sohnes kommentierte. Wie bei der U21-EM vergangenen Sommer, als Matthias Stach bei Antons Einwechslung im Spiel gegen die Niederlande anmerkte: "Ich könnte jetzt sagen: Blamier mich nicht, Junge! Mach' ich aber nicht."

Anton Stachs Vater kommentiert mit Boris Becker Tennis

Mit dem Papa habe er noch gar nicht lange über das DFB-Debüt sprechen können, erzählte der Filius am vergangenen Samstag, als er beim Mainzer 4:0 gegen Bielefeld gesperrt auf der Tribüne gesessen hatte: "Er ist gar nicht im Land und hat nicht so viel Internet". Dafür hat sich Anton Stach mit seinen Schwestern Emma und Lotta ausgetauscht, die Trikots mit dem Bundesadler bereits kennen: Beide haben schon für Deutschlands Basketball-Nationalmannschaft gespielt.

Wenn sich Anton Stach mit seiner zwei Jahre älteren Schwester Emma (TK Hannover Luchse) und der drei Jahre jüngeren Lotta (SV Lions Halle) unterhält, dann kommt immer wieder auch die monetäre Diskrepanz zwischen den Ballsportarten, aber auch jene zwischen Männern und Frauen zur Sprache: "Die Schere ist schon extrem. Vor allem weil die Mädchen ja genauso viel in ihren Sport investiert haben seit frühester Jugend wie ich", sagte der Fußballer kürzlich dem Kicker. Aber alle wüssten, dass dies eben der Markt bestimmt.

"Das Schöne ist, dass es da überhaupt keinen Neid gibt, sondern eher Freude und Unterstützung", berichtet Anton Stach. Zum Beispiel via Familienchat, im dem Neuigkeiten und Nettigkeiten ausgetauscht werden. Emma Stach war kürzlich als Gast im NDR-Sportclub, um auch über den Bruder zu sprechen. "Insgesamt ist er ein sehr entspannter, lässiger Typ." Als er seinen Schwestern jetzt von seiner Nominierung berichtete, "dachten die beiden, ich mache wieder einen Spaß - die haben das überhaupt nicht geglaubt".

Er selbst muss auch erst richtig realisieren, dass beim Frühstücksbüffet oder im Training jetzt plötzlich Manuel Neuer oder Thomas Müller neben ihm stehen: "Man hat natürlich Riesenrespekt", gibt er zu, aber "vielleicht kann ich zeigen, warum mich der Bundestrainer angerufen hat." Beim ersten telefonischen Versuch von Flick war Stach übrigens gerade beschäftigt - als Chauffeur für seinen Teamkollegen Anderson Lucoqui. Der habe im Auto den verpassten Anrufer gesehen und beim Rückruf auf Lautsprecher gestellt. Als sich tatsächlich Flick meldete, erzählt Stach, "da haben wir uns mit großen Augen angeguckt - ich bin dann vor Schreck erst mal falsch abgebogen".

Auf den richtigen Weg ist der durchaus selbstbewusste 1,94-Meter-Schlaks über Umwege bisher aber immer gekommen. Bis zum 14. Lebensjahr war er im Tennis fast genauso talentiert wie im Fußball, die Entscheidung fiel für die Mannschaftssportart. Stach ging 2011 ins Nachwuchsleistungszentrum von Werder Bremen, wo der spätere Bundesligatrainer Florian Kohfeldt zwar eine "strategische Veranlagung" erkannte, doch den Durchbruch schaffte Stach woanders.

Als er beim VfL Wolfsburg in der zweiten Mannschaft spielte, noch immer weit weg von der schillernden Bühne, schnappte sich der damalige Zweitligist Greuther Fürth im Sommer 2020 für läppische 125 000 Euro den jungen Mann. Ein Jahr später blätterten dann die gerade dem Abstieg entronnenen Mainzer bereits 3,5 Millionen Euro Ablöse für ihn hin.

Dass sich diese Investition so schnell lohnen würde, hat selbst den Mainzer Sportdirektor Martin Schmidt verblüfft: "Wenn man bedenkt, dass er vor 18, 19 Monaten noch vierte Liga gekickt hat, dann ein Jahr zweite Liga, jetzt Bundesliga, jetzt Nationalmannschaft", sagt Schmidt über seinen Musterschüler, da könne man nur sagen: "Potenzial erkannt, er hat es genutzt, Flick hat es gesehen, Paket geschnürt, jetzt steht er in der deutschen Elf. Passt doch, oder?"

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