Süddeutsche Zeitung

Sport und Corona:Glasklar ist die Lage nur im Fußball

Lesezeit: 6 min

Die Handballer nehmen den Spielbetrieb wieder auf, in Memmingen dürfen Zuschauer zum Eishockey kommen und in Kaufbeuren nicht: Die Infektionsschutz-Maßnahmen in Bayern erschweren den Sportvereinen das Leben. Ein Rundgang.

Von Christian Bernhard und Andreas Liebmann

Es ist unübersichtlich geworden im Sport, bei Amateuren wie Profis. Und wenn die Prognosen über Omikron zutreffen, wird es bald noch viel unübersichtlicher werden. Die Deutsche Eishockey Liga zum Beispiel will für all ihre ausgefallenen Partien nun Nachholtermine während Olympia zulassen, wobei man sich fragt, wie die Klubs während der Winterspiele überhaupt Mannschaften zusammenbekommen sollen. Die Volleyball-Liga hat ihre zerrupfte Erstliga-Hauptrunde der Männer nun vorzeitig abgebrochen und damit Schlusslicht Haching in saisonalen Vorruhestand geschickt. Es waren schlicht nicht mehr genug Nachholtermine möglich. Manche Sportart dagegen, die vor einem Jahr wegen der Pandemie dankend auf Spielbetrieb verzichtete, Badminton zum Beispiel, zieht in diesem Jahr bislang sauber durch. Auch bei den Basketballerinnen in der zweiten Liga Süd sieht es zurzeit recht geordnet aus. Am Ende der vorigen Saison, auf die die Klubs selbst beharrt hatten, standen sie noch vor einer völlig windschiefen Tabelle.

Glasklar ist die Lage nur im Fußball, wo die DFL gerade beschlossen hat, ihre Vorgaben für Spielabsagen frühestens vor der nächsten Saison anzuschauen und gegebenenfalls an die Realität anzupassen; und wo der Bayerische Fußball-Verband (BFV) unter Paragraf 1 seiner Satzung festhält, dass es auf Fußballplätzen nachweislich ein "sehr geringes Ansteckungsrisiko" gebe - und sollte doch mal eine Mannschaft flachliegen, dann: siehe Paragraf 1.

In dieser Woche hat das bayerische Kabinett jedenfalls rechtzeitig vor dem Anrollen der so genannten Omikron-Wand seine Infektionsschutzmaßnahmenverordnung überarbeitet und dabei für den Sport im Freistaat vor allem, Trommelwirbel: eigentlich nichts verändert. Grund genug, sich umzuschauen, wie es auch unterhalb des Profisports in Bayern so aussieht, gerade in den Hallen. Hier also der Versuch eines kleinen Rundgangs - natürlich nur mit Maske und Sicherheitsabstand.

Regionale Besonderheiten

Soll man es noch einmal wiederholen? Nur zur Sicherheit? Es gibt in Bayern Geisterspiele, in der Tat, aber es geistern seit deren Anordnung auch immer wieder Unsicherheiten über die konkreten Vorgaben herum. Klar ist: Große, überregionale Sportereignisse haben hierzulande ohne Zuschauer stattzufinden, alle anderen dürfen, soweit vorhanden, Zuschauer einlassen - allerdings nur ein Viertel der möglichen Kapazität und unter 2-G-plus-Auflagen. Nicht ganz so klar ist offenbar nach wie vor, was unter "groß" und "überregional" zu verstehen ist. Auch hier hat sich die Verordnung in dieser Woche nicht verändert, das Wort "groß" bemisst sich demzufolge weiterhin an der Kapazität einer Sportstätte, in die, wenn man sie zum erlaubten Viertel auslasten würde, mehr als 500 Zuschauer passen würden. Leichter ist der Begriff "überregional" erklärt, der (vereinfacht) bedeutet: Reicht eine Liga über den Freistaat hinaus, darf sie bei großen Sportveranstaltungen keine Zuschauer haben, selbst wenn ein bayerisches Derby stattfindet. Vereine, deren Spielstätte weniger als 2000 Plätze fasst, können bei demnach "kleinen" und überregionalen Veranstaltungen also mit dem Gesundheitsamt über eine Auslastung mit bis zu 500 Personen verhandeln.

Prägnantes Beispiel ist Eishockey: Die DEL 2 trägt Geisterspiele aus, da ihre Hallen zu groß sind und die Liga bundesweit. Die kaum minder professionelle Oberliga Süd darf ihre ähnlich großen Hallen zu einem Viertel befüllen, weil ihr kein nichtbayerisches Team angehört. Heißt: Memmingen (über 2000 Plätze, also groß - aber regional) empfing am Wochenende 910 Fans, Kaufbeuren (über 2000 Plätze, also groß - und überregional) hat an diesem Freitag 35 Kilometer entfernt die Tölzer Löwen zu Gast - ohne Fans. Nicht nur Kaufbeurens Geschäftsführer Michael Kreitl findet das "völlig unverständlich". Ganz leicht zu erklären ist es vielleicht wirklich nicht.

Licht in dunklen Monaten

Dass die Infektionsschutzmaßnahmenverordnungsverfassenden (dieses Wort musste sein) manche Vorgabe für den Freistaat nicht geändert oder verschärft, sondern einfach bis zum 9. Februar verlängert haben, hat natürlich sein Gutes. Vor allem für die Jugendarbeit. So bleibt ein weiteres Mal auch die Ausnahme für Jugendliche bestehen, die sie bei der Sportausübung von der 2-G-plus-Regel entbindet - mit der Aussicht auf weitere Verlängerungen. Bedeutet: Minderjährige müssen nach wie vor nicht geimpft und im Falle von Schülern, die regelmäßige Schultests mitmachen, auch nicht extra getestet sein, um in den Vereinen aktiv zu bleiben. "Mit gleichaltrigen Freundinnen und Freunden Sport zu treiben, ist für die körperliche und seelische Gesundheit extrem wichtig", sagt Michael Weiß, der Vorsitzende der Bayerischen Sportjugend im BLSV, er betont aber auch: "Eine hohe Impfquote ist auch bei Kindern und Jugendlichen das beste Mittel für die Rückkehr zur Normalität im Sport. Die kalten und dunklen Monate sollten fürs Impfen genutzt werden." Er fasst damit ganz gut die Haltung der großen Breitensportvereine in Bayern zusammen, die mehrheitlich ebenfalls die Auffassung vertreten, dass die Impfung auch für Zwölf- bis 17-Jährige eine wichtige Sache wäre, und andererseits befürchteten, dass sie mit einer Abschaffung der Ausnahmeregel auf einen Schlag knapp die Hälfte ihrer Jugendlichen verlieren würden, weil diese eben keinen Impfschutz hat. Bayerns Impfquoten stagnieren laut RKI in dieser Altersgruppe aktuell bei 57 Prozent vollständig und 63 Prozent Erstgeimpften.

Dauerhaft geschlossen

Florian Geiger ist einer derjenigen, der froh ist, dass die Verlängerung der Ausnahme für Jugendliche, auf die sein Verband "nach unseren zahlreichen Appellen" bereits vor Weihnachten gehofft habe, nun erfolgt sei. Damit herrsche für den Sport- und Trainingsbetrieb weiterhin Planungssicherheit, betonte der Präsident des Bayerischen Ringer-Verbandes (BRV). Die Ringer sind von der Corona-Pandemie besonders heftig getroffen worden. Da Ringen mit Mindestabstand nicht vereinbar ist, konnte der Ligabetrieb 2020 gar nicht erst aufgenommen werden. Der letztjährige wurde Ende November, bei noch zwei ausstehenden Kampftagen, vorzeitig abgebrochen. "Wir waren die, die nie vollumfänglich geöffnet waren", sagt Geiger. Der Abbruch betraf auch die Bezirksmeisterschaften, die rund um den Dreikönigstag hätten stattfinden sollen.

Jetzt gibt es aber wieder Lichtblicke. Geiger ist zuversichtlich, dass die bayerischen Nachwuchs-Meisterschaften, die im Februar geplant sind, stattfinden können. Für den Verband bedeute das, den "Geldbeutel weiter aufzumachen", da man den Ausrichtern finanziell unter die Arme greifen müsse. Das tut der BRV aber gerne, denn es geht jetzt auch darum, die bayerischen Ringer auf die deutschen Meisterschaften vorzubereiten, die ab Mitte April im Wettkampfkalender stehen. Obwohl das Ausfallen zahlreicher Jugendturniere besonders geschmerzt habe, blickt Geiger hoffnungsfroh in die Zukunft: "Es schaut ganz gut aus, denn wir haben nicht in dem großen Maß verloren wie andere Sportarten." 2020 konnte sich sein Verband sogar über ein leichtes Plus an Mitgliedern freuen.

Kontroverse Diskussionen

Beim Bayerischen Handball-Verband (BHV) haben sie ganz genau hingehört, was aus der bayerischen Staatskanzlei zu vernehmen war. Der Verband hatte wenige Tage zuvor beschlossen, dass der Spielbetrieb am 27. Januar wieder aufgenommen werden solle - unter welchen Umständen, war aber noch unklar. Als das Ergebnis auf dem Tisch lag, konnten die "Detailarbeiten und Justierungen" beginnen, wie Vizepräsidentin Ingrid Schuhbauer es ausdrückte. Der BHV hatte sich mithilfe einer Umfrage bei seinen Vereinen und Schiedsrichtern umgehört, wie sie zu unterschiedlichen Szenarien (2G, 2G+) stehen. Die Diskussionen seien sehr kontrovers und intensiv gewesen, ist aus dem Verband zu hören, mehr als 70 Prozent der Vereine hätten sich aber für eine Spielbetriebs-Wiederaufnahme unter den derzeitigen Vorgaben ausgesprochen. Der Verband ist sich bewusst, dass seine Entscheidung pro Wiederaufnahme nicht überall ungeteilte Zustimmung findet. Er zeigt Verständnis für alle jene, die unter den aktuellen Umständen keine Ligaspiele absolvieren wollen oder können. Pandemiebedingte Spielabsagen oder Rückzüge hätten deshalb keine Geldstrafen zur Folge haben, eine sportliche Wertung werde allerdings erfolgen.

Keine Strafgebühren

Die bayerischen Volleyballer sind seit dem 8. Januar wieder im Spielbetrieb. Ziel ist es, sowohl Auf- als auch Abstiege auszuspielen und im Idealfall eine "volle Spielrunde mit Hin- und Rückspiel" auszutragen, teilte der Bayerische Volleyball-Verband (BVV) mit. Allen Mannschaften stehe es aber weiterhin frei, nicht anzutreten. Jene, die sich dafür entscheiden, stünden als Absteiger fest, werden aber nicht in die unterste Liga rückgestuft und müssen keine Strafgebühren fürchten. Abmeldungen im Jugendbereich seien ohne Konsequenz. Damit auch die bisher ausgefallenen Spiele nachgeholt werden können, wurde die Saison bis zum 29. Mai verlängert und die Relegationsspiele gestrichen. Sollte es trotzdem nicht reichen, eine komplette Hin- und Rückrunde zu absolvieren, soll die Hinrunde gewertet werden. BVV-Vizepräsidentin Petra Stumpf ist sich bewusst, dass sich ein erneuter Saisonabbruch "nicht final ausschließen" lasse, er solle aber "mit allen Mitteln verhindert werden".

Dem Ehrenamt sei Dank

Beim Bayerischen Basketball-Verband (BBV) soll es so weitergehen wie bisher. "Ich gehe davon aus, dass wir unserer Linie treu bleiben und den Spielbetrieb weiter anbieten", sagt Magdalena Obermeier von der BBV-Geschäftsstelle. Spielverlegungen sollen weiterhin sehr flexibel gehandhabt werden, "wer nicht spielen will, wird nicht gezwungen". Anders als andere Hallensportarten hatte der BBV seinen Spielbetrieb nicht unterbrochen. Jene Vereine, "die spielen wollten und spielen durften", waren trotz des Mehraufwandes, beispielsweise was Testungen betraf, "sehr glücklich darüber", erklärt Obermeier. Deutlich zugenommen habe der organisatorische Aufwand rund um den Spielbetrieb. Das Ehrenamt, sagt Obermeier, werde derzeit "richtig beansprucht".

Team Vorsicht

Das Gute an einer Tischtennisplatte ist ihre Länge: 2,74 Meter. Sie ist eine Art Sportgerät gewordener Mindestabstand, rollbar und auf Beinen, wie man ihn sich an Supermarktkassen nur wünschen könnte. Sofern man auf Shakehands und Prügeleien verzichtet, stellt sie sicher, dass sich die Protagonisten nie zu nahe kommen. Der Bayerische Tischtennis-Verband hatte seinen Spielbetrieb dennoch bereits Ende November bis Jahresende ausgesetzt, damals vor allem angesichts lokaler Lockdowns, und einen Monat später wegen der weiterhin unsicheren Lage beschlossen, dass die Ligen frühestens am 28. Februar fortgeführt werden - dann nur noch zur Beendigung einer Einfachrunde. Wer in der Hinserie also besonders fleißig war, hat möglicherweise gar keine Spiele mehr auszutragen. Im Ligabetrieb ist Tischtennis übrigens keine Individual-, sondern eine Teamsportart. In diesem Falle: Team Vorsicht.

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