Süddeutsche Zeitung

Profisport in der Pandemie:Privilegien haben Grenzen

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Tennis-Spieler murren über Quarantäne, die Polizei nimmt die Personalien eines Bundesligaprofis auf. Manche Sportler halten die Ausübung ihres Berufes offenbar für eine Selbstverständlichkeit - ein fataler Eindruck.

Kommentar von Martin Schneider

Der Turnierdirektor der Australian Open, Craig Tiley, hat dem Sender ABC einen Satz gesagt, der in normalen Zeiten banal klingt, gerade aber gar nicht so banal ist. Dass man bei einem positiven Corona-Test in Quarantäne müsse und das Hotelzimmer auch nicht zum Training verlassen dürfe, "das ist der Preis, den unsere Gäste und jeder, der nach Australien kommen will, bezahlen muss". Betonung auf "jeder".

Dass in Australien keine Ausnahmen für Tennisspieler gelten, scheint manchen zu überraschen, besonders Novak Djokovic, was aber insofern nicht besonders überraschend ist, als der Serbe schon im Vorjahr durch einen weitgehend unverantwortlichen Umgang mit Covid-19 auffiel.

In einigen Kreisen hat man sich offenbar an die Privilegien der Berufsausübung gewöhnt

Man muss den Sport vielleicht wirklich nochmal daran erinnern, dass er gerade unter besonderen Bedingungen stattfindet. Die Pandemie wütet in großen Teilen der Welt schlimmer als je zuvor, trotzdem zieht der Welthandball-Verband eine WM mit 32 Mannschaften durch. Drei davon mussten wieder abreisen - nicht spielfähig wegen zu vieler Corona-Fälle. Und während der Profi-Sport im Frühjahr 2020 ruhte und sich bei der Wiederaufnahme dankbar und demütig zeigte, hat man sich in manchen Kreisen nun offenbar an die Privilegien der Berufsausübung gewöhnt.

Die ist aber keine Selbstverständlichkeit. In Deutschland sind Einzelhandel, Friseure, Gastronomie, Museen, Theater, Kinos und große Teile des Veranstaltungsgewerbes dicht, größtenteils trotz vorgelegter Hygienekonzepte. Profisportler dürfen weiter arbeiten - und deswegen ist es gerade Teil ihres Berufes, nicht nur einen Ball zu treten, sondern sich auch an Auflagen zu halten. Das ist offensichtlich nicht jedem bewusst.

Die grundsätzlich wohlwollende Stimmung dem Sport gegenüber kann schnell kippen

In einer Phase der Pandemie, in der nahezu jeder von Einschränkungen betroffen ist, ist der Eindruck, dass man der Doofe ist, wenn man sich an Regeln hält, fatal, und da kommt so eine Meldung wie die von Breel Embolo zur Unzeit. Der Gladbacher Stürmer war zumindest so nah an einer Party, dass seine Personalien von der Polizei aufgenommen wurden. Im ZDF-Sportstudio antwortete Wolfsburgs Manager Jörg Schmadtke fast schon pikiert auf Fragen nach einer Bundesliga-Fortsetzung. Dass sein Klub vier Profis kürzlich wegen Missachtung der Corona-Auflagen verwarnen musste, verschwieg er lieber. In Großbritannien lag der nationale Inzidenzwert zwischenzeitlich bei über 600, die Premier League spielte weiter, unter anderem mit dem Argument, dass man ja sonst die Spiele nicht nachholen könne.

Es hilft den Verantwortlichen gerade, dass viele Sportfans ganz glücklich darüber sind, Biathlon oder Skispringen oder Handball oder auch einen Pokalsieg von Kiel gegen den FC Bayern gucken zu können und nicht nur hunderte Sondersendungen zur Corona-Lage. Aber diese grundsätzlich wohlwollende Stimmung dem Sport gegenüber kann schnell kippen, wenn man den Akteuren nicht mehr abnimmt, verantwortungsvoll mit der Situation umzugehen.

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