Süddeutsche Zeitung

Maximum Break im Snooker:Heldentat mit bitterem Ende

Lesezeit: 2 min

Der Australier Neil Robertson bietet bei der Snooker-WM ein seltenes Schauspiel: ein Maximum Break, also 147 Punkte am Stück. Er hätte vielleicht trotzdem gerne darauf verzichtet.

Von Carsten Scheele

Neil Robertson ist Australier, er versteht etwas von Coolness, doch in diesem Moment am Montagabend verlor er sie komplett. Als die letzte schwarze Kugel des 18. Frames in die Tasche plumpste, reckte Robertson seine Arme nach oben - und wollte sie gar nicht mehr runternehmen. Sekundenlang stolzierte er um den Tisch herum, die Zuschauer im Crucible Theatre standen auf und johlten. Robertson setzte ein Grinsen auf, das handvermessen von Sheffield heim nach Melbourne und wieder zurück gereicht haben dürfte.

Robertson, 40, hatte zuvor am Tisch ein seltenes Schauspiel geboten: ein Maximum Break, die höchste Kunst im Snooker, die daraus besteht, die 21 Kugeln in einer fest vorgeschriebenen Reihenfolge zu lochen und damit die maximal mögliche Punktzahl (ohne Foulpunkte) zu erzielen: 15 Mal die rote Kugel, dazwischen immer Schwarz, zum Abschluss die sechs Farben - macht 147 Punkte. Noch seltener übrigens, wenn dies einem Spieler bei der Weltmeisterschaft gelingt: Robertson ist erst der achte Spieler seit 1977, dem bei der WM im Crucible ein Maximum geglückt ist.

Nachvollziehbarerweise sprach Robertson später von einem "magischen Moment". Es sei das Lebensziel eines jeden Snookerprofis, in der ehrwürdigen Arena, die oft als Kathedrale des Snookersports bezeichnet wird, ein Maximum zu spielen. "Das toppt alles", sagte Robertson, seine ganze Saison, die mit den Siegen beim Masters und beim Players Championship ohnehin herausragend verlaufen war. Ein kurioser Fakt am Rande: Da Gegner Jack Lisowski unmittelbar vor Robertsons Maximum vier Foulpunkte fabriziert hatte, stand der Australier am Ende seines Breaks gar bei 151 Punkten. Erheblich für die Punktezählung beim Maximum waren jedoch nur die 147, die Robertson folgen ließ.

"Er schien nie zu zweifeln", sagt Steve Davis über Robertson

Es gab, soviel muss dazu gesagt werden, schon kompliziertere Breaks, die in einem perfekten Spiel endeten. Nach Lisowskis Foul lagen die Kugeln allesamt spielbar auf dem Tisch, keine einzige Rote war an die Bande gerollt - Robertson musste auch keinen komplizierten Split wagen, bei dem die Spieler nie so recht wissen, wie sich das Bild anschließend auf dem Tisch gestaltet.

Doch wie abgebrüht der Australier den Tisch leerspielte, das beeindruckte auch Steve Davis, den sechsmalige Weltmeister und heutige Kommentator. Er lobte Robertsons mentale Stärke. "Er schien nie zu zweifeln", sagte Davis in der BBC: "Er hat den Ball so zuversichtlich gespielt und war immer perfekt in Position." Das Blöde an Robertsons Heldentat war bloß, dass sie ihm zwar einen unvergesslichen Moment und ein hübsches Extra-Preisgeld eingebracht hat, er unter diesen Umständen aber womöglich gerne darauf verzichtet hätte.

Denn der an Position drei gesetzte Australier schied bei der WM letztlich im Achtelfinale aus. Gegner Jack Lisowski musste beim Maximum zwar quälend lange zwölf Minuten auf seinem Stuhl verharren - die "Marter des Stuhls" wird dies im Snooker genannt, weil sie so schwer zu ertragen ist. Doch Lisowski erholte sich erstaunlich schnell. Der Brite gratulierte nach dem Maximum artig und siegte anschließend 13:12. "Ich habe den aktuell besten Spieler der Welt geschlagen", sagte Lisowski, "der auch noch großartiges Snooker gespielt hat." So hat Robertson zwar sein Maximum, Lisowski aber steht im Viertelfinale.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5572908
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.