Süddeutsche Zeitung

EM-Maskottchen:Witzfigur mit enormen Skills

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Das EM-Maskottchen Skillzy kann jonglieren - und hat keine lange Nase wie sein Vorgänger Pinocchio. Die Botschaft, die er Fußball-Europa vermitteln soll, wird trotzdem der Lüge überführt.

Glosse von Holger Gertz

Im fernen Jahr 1980 fand die Fußball-Europameisterschaft in Italien statt, und als Maskottchen haben sie damals Pinocchio genommen, die berühmte Holzpuppe. Pinocchio ist vor allem wegen einer körperlichen Besonderheit so berühmt, seine Nase wächst, sobald er lügt. Und das ist die pädagogische Botschaft: Wer lügt, dem sieht man's an - drum höre man besser mit der Flunkerei auf.

Dass ausgerechnet ein von der Uefa verantwortetes Großturnier eine Lügennase prominent ins Schaufenster stellt, ist aus heutiger Sicht ein interessanter Move. Denn die Uefa lässt einerseits sämtliche Spieler mit einem Respect-Aufnäher auf den Platz laufen, andererseits kommen die Sponsoren der Uefa gehäuft aus Staaten, die vor Menschenrechten so gar keinen Respekt haben. Wenn also ein Mensch der Uefa behaupten würde, Respekt wäre für ihn mehr als nur ein Wort, müsste dessen Nase zu derartig enormer Länge heranwachsen, dass man Kleiderbügel mit sämtlichen Trikots einer Fußballmannschaft daran aufhängen könnte.

In diesem Jahr haben die EM-Strategen das Maskottchen Skillzy aus den Kulissen treten lassen, dessen Nase unauffällig ist, dafür schielt er ein bisschen. Skillzy hat, der Name verrät es, enorme Skills vorzuweisen, im neudeutschen Sprachgebrauch sind das Fertigkeiten, sogar geradezu Kompetenzen. Skillzy ist ein Freestyler, ein Straßenfußballer; er hat mit Verbandsstrukturen nichts am Hut und nichts am Hoodie. Skillzy, oder der Mensch, der in ihm steckt, ist imstande, mit dem Ball zu jonglieren, fast so wie Maradona, der das Spiel liebte. Auch Skillzy liebt das Spiel, und indem er das Bällchen dressiert, führt er das Turnier zurück zu seinem einzigen Kern, der ja das Spiel ist.

Was nun die nächste Lüge ist, man sieht es bei dieser EM, es geht wenig spielerisch um Business, um Durchsetzungsmacht. Vermutlich werden die Maskottchen dieser Veranstaltungen auch deshalb regelmäßig zu Witzfiguren, weil jeder da draußen insgeheim spürt, dass die in Wahrheit gar nichts zu melden haben. Bis auf Pinocchio, Maskottchen aller Maskottchen, der 2013 noch einmal auflebte. Da veranstalteten die Radfahrer ihre Weltmeisterschaft in Florenz. Und ausgerechnet die Radler, beim Thema Doping die allerbegabtesten Lügner und Leugner, wählten als Maskottchen für ihr Turnier in einem seltenen Moment der Selbsterkenntnis tatsächlich den guten alten Pinocchio. Da waren sie den Kickern mal wieder um Holznasenlänge voraus.

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