Süddeutsche Zeitung

Ski alpin:Grüße aus dem Krankenbett

Lesezeit: 3 min

Von Barbara Klimke, München

Zuversicht auszustrahlen, trotz aller Widrigkeiten, das ist derzeit die wichtigste Herausforderung für Alpin-Chef Wolfgang Maier: "Die Jungs sind einigermaßen gut drauf, wie man an dem Foto sieht, das sie gepostet haben", wusste Maier am Montag zu berichten. Besagtes Bild zeigt die Skirennfahrer Felix Neureuther und Stefan Luitz, Seite an Seite auf Kissen gebettet und freundlich in die Kamera lächelnd. Es wäre in der Tat eine fröhliche Illustration kollegialer Verbundenheit, wäre da nicht der Umstand, dass es sich bei der Liege eindeutig um ein Krankenbett in einer Klinik handelt. Ein Dokument des Galgenhumors, das Neureuther und Luitz, beide am Kreuzband operiert, auf ihren Social-Media-Plattformen veröffentlichten.

Stefan Luitz, der die schwere Knieverletzung am Sonntag beim Riesenslalom in Alta Badia erlitt, wurde noch am Abend operiert, in der selben Privatklinik in der Nähe von Innsbruck, in der sich auch Felix Neureuther vorige Woche das Kreuzband flicken ließ. "Geteiltes Leid ist halbes Leid", überschrieb Neureuther, 33, seinen Beitrag und ergänzte: "So ein Sch ..."

Die beiden besten Kurvenfahrer des DSV in einem Krankenbett, das ist die neue Ausgangslage für einen Verband, der sich noch vor kurzem sicher sein durfte, dass er im Olympiawinter in allen Disziplinen hervorragend aufgestellt war. Erst am Freitag hatte Josef Ferstl den Super-G von Gröden gewonnen, einen Wettbewerb also, in dem deutsche Rennfahrer seit den Tagen von Markus Wasmeier nicht mehr so triumphal über die Ziellinie gebrettert waren. Für Speed-Spezialist Thomas Dreßen stand ein dritter Platz im Weltcup in den USA zu Buche. Und auch Stefan Luitz hatte sich zuletzt im Riesenslalom in bestechender Form präsentiert und durfte sich sogar mit Recht als Mitfavorit für die Olympiarennen in Pyeongchang im Februar fühlen: Dritter war er in Beaver Creek; in Val d'Isère kam er gerade erst als Zweitschnellster ins Ziel. In Luitz, so glaubten Kenner, habe der Verband einen Techniker zwischen den Stangen, der sogar den verletzungsbedingten Ausfall von Felix Neureuther hätte vergessen lassen können.

Von Neureuther, der den ersten Slalom der Saison in Levi gewonnen hatte, ehe er sich so schwer verletzte, dass nun ein operativer Eingriff nötig war, konnte Maier immerhin berichten, dass er am Montag die Klinik verlassen konnte. Luitz hingegen muss wohl noch drei Tage unter Beobachtung bleiben. Sein linkes Knie wurde am Sonntagabend operiert, die Arthroskopie sei komplikationsfrei verlaufen, teilte das Ärzteteam dem Sportinformationsdienst mit: Demnach wurde das gerissene Band durch die körpereigene Semitendinosussehne ersetzt. Es war bereits Luitz' zweiter Kreuzbandriss, vor vier Jahren war das rechte Knie betroffen. "Die Verletzung und der damit verbundene Ausfall sind gerade nach dem gelungenen Saisonauftakt extrem ärgerlich", sagte der Rekonvaleszent. Er weiß ja aus Erfahrung, "was in der Rehabilitation gefordert wird". Er war nicht einmal gestürzt, als er sich mitten im Rennen, am vierten Tor in Alta Badia, die Bänder riss: Er hatte nur gemerkt, das er mit einem Mal die Stabilität im Knie verlor.

"Wir sind schon alle sehr traurig", sagte Wolfgang Maier, aber der Alpin-Chef ist selbstverständlich weit davon entfernt zu resignieren. "Wir müssen uns neu formieren", erklärte er: "Und mit denen, die wir haben, planen wir weiter." Nach dem Motto "Auf geht's, die Schwerter raus, und wieder angreifen" geht der Verband nun in die nächsten Rennen. Schon am heutigen Dienstag steht der dritte Riesenslalom der Frauen in Courchevel auf dem Programm, bei dem die zweimalige Saisonsiegerin Viktoria Rebensburg erneut zwei möglichst makellose Läufe anstrebt. Für die Abfahrer im Männer-Team geht es nach Weihnachten beim Klassiker in Bormio weiter. Und das Rumpfteam der Techniker wird sich ebenfalls noch in dieser Woche, am Freitag, in Madonna di Campiglio aus dem Starthäuschen auf die Slalompiste stürzen. Dann sind auch Fritz Dopfer und Linus Straßer dabei. Der 23 Jahre alte Alexander Schmid, der kürzlich mit dem sechsten Platz in Val d'Isère und der Qualifikation für Olympia überrascht hatte, pausiert.

Stefan Luitz hat unterdessen bekannt gegeben, dass er seine Rückkehr spätestens für die WM-Saison 2018/19 plant. Seine kämpferische Botschaft unter dem Klinik-Foto war eindeutig. Sie lautet: "Come back stronger."

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Quelle:
SZ vom 19.12.2017
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