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Schwimmer Mychailo Romantschuk:"Manchmal müssen wir nach der Hälfte des Trainings in den Bunker"

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Der Olympiazweite Mychailo Romantschuk ist nach langem Aufenthalt in Magdeburg bei seinem Rivalen Florian Wellbrock in die Ukraine zurückgekehrt. Der 27-Jährige trainiert dort unter widrigsten Umständen - möchte aber ein Zeichen setzen.

Protokoll: Sebastian Winter

"Ich bin nach der Schwimm-WM im vergangenen Sommer in Fukuoka zurück in die Ukraine gegangen, nach Chmelnyzkyj, wo meine Familie wohnt. Ich danke Florian Wellbrock, Coach Bernd Berkhahn und den anderen von Herzen, dass sie mich nach Kriegsbeginn in Magdeburg aufgenommen haben in ihrer Trainingsgruppe. Wir reden oft, haben ein tolles Verhältnis. Aber ich wollte nach Hause, es ist meine Heimat. Ich möchte den anderen zeigen, dass man hierher zurückgehen, die Städte wiederaufbauen und ein neues Leben anfangen kann. Die Ukraine braucht uns junge Leute, wir sind die Zukunft unseres Landes.

Im Westen der Ukraine, wo ich lebe, ist es etwas ruhiger als dort, wo der Krieg noch schlimmer tobt. Aber sicher ist es auch nicht, man weiß nie, wo die Raketen und Drohnen einschlagen. Wir trainieren zwar so gut es geht, aber wechseln oft die Bäder, weil viele zerstört sind. Unsere 50-Meter-Pools in Dnipro, in Charkiw - alle kaputt. Und in Kiew, wo wir noch trainieren können, gibt es oft Luftalarm, wie am 23. Januar: Kurz bevor wir ins Trainingslager nach Spanien aufgebrochen sind, haben Raketen den Sportkomplex des Fußballklubs Lokomotive Kiew zerstört. Wir haben gerade 700 Meter entfernt davon trainiert. Manchmal haben wir nach der Hälfte des Trainings Luftalarm und müssen zurück in den Bunker.

"Ich kenne zehn oder mehr junge ukrainische Sportler, die in diesem Krieg gestorben sind"

Meine Frau ( Weit- und Dreispringerin Maryna Bech-Romantschuk, d. Red.) hat wie ich nach Kriegsbeginn in Magdeburg trainiert, sie ist noch immer dort, reist viel durch Europa zu Wettkämpfen. Manchmal kommt sie für ein paar Tage in die Ukraine zurück - das ist die einzige Chance, dass wir uns sehen. Mein bester Freund wohnt in Saporischschja und versucht dort zu arbeiten. Dort schlagen so viele Raketen ein. Wir telefonieren fast täglich mit ihm. Er sagt oft, dass er vielleicht am nächsten Morgen nicht mehr leben wird. Ich kenne zehn oder mehr junge ukrainische Sportler, die in diesem Krieg gestorben sind.

Was Russland und Belarus betrifft: Ich hoffe, dass trotz der Zulassung kein einziger ihrer Schwimmer an den Olympischen Spielen in Paris teilnimmt. Es wäre nicht fair. Sie schlafen in ihren Betten, trainieren in ihren Pools, müssen sich keine Gedanken machen. Ich bin gerade in Doha, schwimme bei der WM. Hier sind auch Athleten aus Belarus am Start. Es ist eine Schande."

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