Süddeutsche Zeitung

Schwimmen:Rebellion im Schwimmen

Lesezeit: 3 min

Von Saskia Aleythe

Medaillen, Muskeln, Mützen, Mützen, Muskeln, Medaillen, Muskeln. Katinka Hosszu ist Profischwimmerin und als solche inszeniert sie sich im Internet artgerecht mit Statussymbolen, die das eigene Profil schärfen. Wasser gehört dazu, klar, ein paar Posen an Kraftgeräten ohnehin, die bei der Ungarin beeindruckend bis angsteinflößend ausfallen können. Doch wo sonst nur bunte Bildchen prangen, ragt seit Neuestem auch das hervor: Ein weißes Manuskript, sieben Absätze lang, Schrifttyp Arial zwölf, unscheinbar und doch bedeutungsschwer. Es ist ein Brief, der mit "dear fellow swimmers" beginnt und, so kann man das schon sehen, eine Rebellion im Schwimmen darstellen soll.

Katinka Hosszu ist die Schwimmerin, der in diesem Jahr schon allein aus sportlichen Gründen am meisten Aufmerksamkeit zuteil werden dürfte: Bei der am 14. Juli beginnenden Schwimm-WM im eigenen Land ist sie das Gesicht der Veranstaltung, sie ist dreimalige Olympiasiegerin von Rio 2016 und hat sich mit ihrem selbst verliehenen Beinamen "Iron Lady" eine eigene Marke geschaffen, mit der ihre Heimat sympathisiert. Es werden höchstwahrscheinlich ihre Festspiele werden, in zehn Tagen in Budapest, doch derlei Annehmlichkeiten sind Hosszu gerade gar nicht so wichtig: Die 28-Jährige ist wütend auf den Schwimmweltverband Fina und hat in Eigeninitiative einen Athletenverband gegründet: GAPS - Global Association of Professional Swimmers.

Dass der Unmut nicht nur sie antreibt, zeigt die Liste der Gründungsmitglieder: 30 Namen führt Hosszu auf, 15 davon sind Olympiasieger und bedeutende Schwimmgrößen. Schwedens Sarah Sjöström macht mit, die Campbell-Schwestern aus Australien, Adam Peaty aus Großbritannien, Südafrikas Cameron Van Der Burgh. Und als einziger Deutscher bisher: der Brustschwimmer Marco Koch.

Das Hauptziel der Vereinigung klingt so simpel wie nachvollziehbar: Sie wollen als Athleten ein Mitspracherecht bei Vorgängen im Weltverband haben, was ihrer Meinung nach bisher nicht der Fall ist. "Wir wollen eine Gemeinschaft aller Schwimmer werden, wo wir über die Zukunft des Sports diskutieren und eine gemeinsame Stimme werden, die dadurch lauter wird", steht auf der - natürlich bereits existierenden - Website der Organisation. Verbunden ist damit die Hoffnung, dass sich noch viele andere Schwimmer anschließen.

Brandbriefe bei Instagram

Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet Katinka Hosszu diese Bewegung anführt. Am 30. Mai veröffentlichte die Fina auf ihrer Website neue Regularien für die Weltcupserie, die nach der WM starten wird. Die 28-Jährige ist dort eifrige Teilnehmerin, fünfmal nacheinander hat sie die Serie schon für sich entschieden, 2016 verdiente sie damit 250 000 Dollar. Allein beim letzten Meeting in Hong Kong staubte sie zehn Goldmedaillen ab - doch das unterbindet die Fina nun mit der Entscheidung, nur noch vier Einzelstarts pro Wettkampfort zuzulassen. Diese Entscheidung verkündete der Verband mit dem Verweis auf "positive Rückmeldung von Athleten und Trainern". Hosszu kommentierte damals auf Facebook: "Dazu hätte man uns vielleicht mal fragen müssen..." Ihr aufgebrachter Eintrag endete mit den Zeilen: "Schwimmer sollen nicht mehr schwimmen, oder? Unglaublich."

Drei Wochen später ließ sie einen weiteren Brandbrief folgen ("die Fina ist im Chaos"), auf den sie dann - tatsächlich - so viel positive Rückmeldungen von Athleten bekam, dass nun jene Initiative entstanden ist. Viel werben musste sie um ein Auflehnen wohl nicht. "Wir erwarten, dass die Führung der Fina uns einen Platz am Tisch gewährt. Wir erwarten, dass Schwimmer als gleichwertige Partner angenommen werden", lautet das allgemeine Interesse. Im vergangenen Jahr hatte vor allem der lasche Umgang der Verbandsführung mit Dopingsündern für Kontroversen geführt.

Hosszu weiß, dass ihr Engagement den Hauch eines persönlichen Scharmützels umweht, was allerdings mit Verweis auf die prominenten Unterstützer auch schon wieder aus der Welt gepustet wäre. Zumal sich die Schwimmerin recht klug gegen Avancen der Fina wehrt, die womöglich zu ihrer Besänftigung gedacht waren: Bei besagten Weltcups dürfen aktuelle Olympia- und WM-Medaillengewinner sofort in den Finals antreten. "Ich will mich dafür sportlich qualifizieren, mit Talenten messen", sagt Hosszu: "Ich habe nie nach diesem Vorteil gefragt." Die neue Regel sei ein Nachteil für junge Schwimmer, "sie müssen warten, bis die Besten ihre Karriere beenden". Durch die Weltcup-Erfolge ist sie längst Millionärin, finanzielle Interessen dürften bei ihr eher nachrangig sein. Was dann auch mal eine positive Nachricht vom Schwimmen ist.

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Quelle:
SZ vom 05.07.2017
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