Süddeutsche Zeitung

Transfers bei S04:Großes Seufzen auf Schalke

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Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Bei der Präsentation seiner neuen Mitarbeiter David Wagner und Michael Reschke vor zweieinhalb Monaten hatte Schalkes Sportvorstand Jochen Schneider nicht nur ein herzliches Willkommen ausgesprochen, sondern auch Stellung zur innerbetrieblichen Perspektive der Spieler Nabil Bentaleb, 24, Jewhen Konoplyanka, 29, und Hamza Mendyl, 21, bezogen. Zunächst verriet Schneider, dass sich Bentaleb "nach einer neuen Herausforderung umschauen" dürfe.

Als daraufhin jemand fragte, wie es denn mit Konoplyanka weitergehe, antwortete Schneider: "Er darf sich auch nach einer neuen Herausforderung umschauen." Und als dann noch einer wissen wollte, wie es um Mendyls Zukunft stehe, da erklärte Schneider: siehe oben. Der im Frühjahr ins Amt gehobene Vorstandsmann hatte damit, wohl ohne böse Absicht, ein alles andere als gefälliges Urteil über das Werk seines Vorgängers Christian Heidel gefällt, der für das Trio rund 40 Millionen Euro Ablöse bezahlt hatte.

Inzwischen sind auf Europas Transfermarkt viele Fußballer und viele hohe Summen hin und her bewegt worden, doch Bentaleb und Konoplyanka bekommen ihr großzügig bemessenes Gehalt immer noch vom FC Schalke 04. Mendyl, im Vorjahr aus Lille nach Gelsenkirchen gekommen, ist indes nach Frankreich zurückgekehrt, wo sich der Vorjahresfastabsteiger FCO Dijon seiner angenommen hat. In Fankreisen wurde der Wechsel, obgleich er lediglich auf einem Leihgeschäft beruht, als Meisterstück des neuen Handelsvertreters Reschke gepriesen. Während der Vorsaison hatte es Mendyl bei seinen 16 Einsätzen zwar nie am gebührenden Eifer fehlen lassen, aber ob er einen seriösen Fußballer-TÜV bestanden hätte, daran gab es große Zweifel.

Im Fall Bentaleb gibt es solche Zweifel nicht. Am Ball ist der in Frankreich geborene algerische Nationalspieler brillant; das Problem ist, dass er das selbst auch so sieht, und dass er dies dem Publikum sowie den Mitspielern immerzu demonstrieren möchte. Manchmal konnte man daher meinen, dass Mannschaftssport nicht das Richtige für ihn ist. "Nabil ist ein Egoist", stellte neulich ein vormaliger Angehöriger des Schalker Trainerstabs fest, der ansonsten über Bentaleb nichts Schlechtes sagen wollte. Dass Huub Stevens in seiner kurzen Zeit als Retter den von Tottenham Hotspur gekommenen Mittelfeldspieler gleich zweimal suspendierte, entsprach zwar durchaus den Erwartungen der Insider im Verein. Doch ging es dabei um Themen der Disziplin, nicht um eine prinzipiell unverträgliche Persönlichkeit.

Nun kommt aus Gelsenkirchen die Kunde, dass sich Bentaleb zum Dienst zurückgemeldet habe, nachdem er in Frankreich die Reha nach einer Leistenoperation abgeschlossen hat. Er werde zunächst die leistungsdiagnostischen Tests machen, teilte der Klub mit - und löste dadurch in der Schalker Gemeinde sowohl Bestürzung als auch Begeisterung aus. Zugleich erklärte in Bremen der Sportchef Frank Baumann, dass es "aktuell eher so aussieht, dass Schalke ihn wieder integrieren möchte" - Werder galt zuletzt als ernster Übernahmekandidat für Bentaleb. Im Übrigen, so Baumann, "haben wir ja immer gesagt, dass wir im Mittelfeld gut aufgestellt sind".

Diese Äußerungen lösten auf der Schalker Geschäftsstelle vermutlich ein großes Seufzen aus. Denn in Wahrheit ist die Absicht, Bentaleb wieder zu integrieren, auf Schalke ungefähr so groß wie Bentalebs Absicht, wieder für Schalke zu spielen. Keine Seite ist interessiert, zu belastet ist das Verhältnis. Es darf als gesichert gelten, dass Baumann darüber hinreichend informiert ist, und dass die Bremer weiter glauben, Bentaleb gebrauchen zu können.

Bei Werder herrscht die Überzeugung, dass man mit schwierigen Genies besser zurechtkommt als andere Arbeitgeber. Das Problem aber ist: So viel Geld, wie Heidel dem Franko-Algerier auf Schalke vertraglich garantiert hat, möchte Werder nicht zahlen. Offenbar möchten die Bremer ihren Geschäftspartner an den laufenden Kosten beteiligen, bevor sie den Spieler (samt Kaufoption) mieten.

So kündigt sich ein weiteres Verlustgeschäft an, das Schalkes neue Führung notgedrungen eingeht. Spieler, die Manager Heidel einst zu Inflationspreisen erwarb, werden nun als Sonderangebote offeriert. Rekordeinkauf Breel Embolo hat man zum Schleuderpreis nach Mönchengladbach gehen lassen, Sebastian Rudy an Hoffenheim verliehen, um das hohe Gehalt des Nationalspielers zu sparen. Bentaleb, der mal 19 Millionen Euro gekostet hat, galt als großes Talent, als er noch in England spielte. Die Schalker hatten gehofft, dass er diesen Ruf dort immer noch hätte. Doch der englische Transfermarkt hat schon vor drei Wochen geschlossen.

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Quelle:
SZ vom 29.08.2019
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