Süddeutsche Zeitung

Hasan Salihamidzic:Unter erhöhtem Rechtfertigungsdruck

Lesezeit: 4 min

Von Benedikt Warmbrunn, Doha/München

Einmal pro Tag, hat Hasan Salihamidzic am Donnerstag berichtet, müsse er sein Handy laden, immer in der Nacht, er habe aber auch "zufällig dieses große" Handy bekommen. Soll bloß keiner auf die Idee kommen, dass der Sportdirektor des FC Bayern Telefonate verpassen könnte, weil sein Handy ohne Strom ist.

Die Leistungsstärke des Handyakkus von Salihamidzic ist ein kleines Detail in einer Diskussion, die der Sportdirektor am Donnerstag moderieren musste, aber dass die Diskussion sogar dieses kleine Detail erreicht hat, zeigt auch, dass für Salihamidzic ein gewaltiger Rechtfertigungsdruck entstanden ist. Denn in der Debatte geht es darum, ob Salihamidzic alles unternimmt, um eine Mannschaft in die Rückrunde schicken zu können, deren Akku so leistungsstark ist, dass sie Meister werden kann.

Mit dem aktuellen Kader, hatte Trainer Hansi Flick der SZ gesagt, sei der Klub angesichts der gegenwärtigen Verletztensituation "nicht optimal" aufgestellt; "auf jeden Fall" müsse die Mannschaft verstärkt werden. Flick sagte, er denke "an mindestens zwei Spieler", an einen Verteidiger und an einen Flügelstürmer. Es war der Notruf eines Trainers, der fürchtet, seine Ziele nicht erreichen zu können, es war aber auch ein klarer Auftrag an den Sportdirektor. Mindestens zwei neue Spieler - oder im Falle des Misserfolgs werden im Sommer alle daran erinnern, dass der Trainer Flick bereits im Winter gewarnt habe.

"Ich möchte unserem Trainer helfen", sagt Salihamidzic

Salihamidzic hat sich dieser Diskussion am Donnerstag gestellt, schon vor Flicks Notruf war klar gewesen, dass der Sportdirektor im Trainingslager in Doha zu den Medienvertreter sprechen würde. Und dass andere seine Arbeit kritisch hinterfragen, das ist Salihamidzic ohnehin gewohnt. Doch die offensive Forderung des eigenen Trainers nach mehr Transfers, das ist auch für ihn eine neue Dimension. Salihamidzic begegnete diesem Appell, indem er mehreres versuchte: Er zeigte sich verständnisvoll. Er betonte, dass es schwer werde mit den gewünschten Transfers. Und er rüffelte sanft den Trainer.

"Hansi Flick hat die gegenwärtige Situation bewertet und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass wir uns verstärken müssen. Das verstehe ich. Ich verstehe das wirklich", sagte er, "Hansi spürt jetzt als Cheftrainer den Erwartungsdruck noch mehr, den ein Cheftrainer beim FC Bayern hat." Aber es gebe "überhaupt keine Meinungsverschiedenheit", Flick und er würden sich "die ganze Zeit" austauschen. Bei Transfers halte der Sportdirektor sich alle Optionen offen, er prüfe vieles. "Ich möchte unserem Trainer helfen. Aber es ist schwer." Eine Leihe, ein Kauf, alles sei möglich, aber noch sei er "in keiner Sache weit".

Und dann sagte Salihamidzic: "Ich war doch überrascht, dass Hansi mediale Kaderplanung betrieben hat. Davon bin ich kein Freund." Aber natürlich, jeder dürfe seine Meinung äußern.

Schon Flicks Vorgänger Niko Kovac hatte im Sommer Zugänge gefordert, damals intern, als er sich einmal "zuversichtlich" gezeigt hatte, dass ein Transfer von Leroy Sané klappen könnte, wurde er prompt öffentlich von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge zurechtgewiesen - und knickte ein. Anders als Kovac scheut Flick aber offenbar keine Konfrontation. Und sie haben ja beide auch Recht, Trainer und Sportdirektor. Der vorerst bis zum Sommer gebundene Flick, wenn er sagt, dass ihm der Kader zu klein ist. Und der langfristig planende, übergeduldige Salihamidzic, wenn er sagt, dass es für den FC Bayern nicht leicht sei, im Winter zu transferieren, weil dann die Top-Spieler nicht auf dem Markt sind.

Vor einem Jahr betrieb Salihamidzic selbst mediale Kaderplanung

Unter dem erhöhten Rechtfertigungsdruck hat Salihamidzic daher klar gemacht, dass er es sei, der über Transfers entscheide. Das Vorgehen sei so: "Wir nennen dem Hansi die Optionen, die wir verfolgen, dann wollen wir seine Meinung hören. Er hat auch mal was genannt, dann checken wir die Optionen. Ist das möglich? Ist das nicht möglich?" Er betonte: "Da gibt es keine Meinungsverschiedenheit."

Aber sollte zum Beispiel Tabellenführer Leipzig demnächst seinen Wunschspieler verpflichten, den Außenverteidiger Benjamin Henrichs aus Monaco, dann wäre nicht zu übersehen, dass ein Rechtsverteidiger, ein deutscher Nationalspieler obendrein, zu haben gewesen wäre. Doch zu Flicks Forderung nach einem Zugang auf dieser Position sagte Salihamidzic: "Die Zukunft des FC Bayern hängt nicht von einem Rechtsverteidiger ab." Aber: Hängt sie das zumindest kurzfristig wirklich nicht?

Im Sommer entschied sich der FC Bayern gegen einen neuen Sechser

Im Sommer hatte sich Salihamidzic und als oberster Entscheider auch Rummenigge dagegen entschieden, für das Mittelfeld einen Sechser zu verpflichten, das hat nun Folgewirkungen. Die Position vor der Abwehr ist unter Flick zwar seriös besetzt, allerdings nur, weil dort nun der einstige Rechtsverteidiger Joshua Kimmich spielt. Im Sommer hatten Salihamidzic und Rummenigge bewusst einen kleinen Kader mit vielen flexiblen Spielern gebaut, der aber den kleinen Nachteil hat, dass ein verletzter flexibler Spieler auf mehreren Positionen fehlt, zurzeit zum Beispiel Lucas Hernández (Außen- und Innenverteidigung) oder die Flügelstürmer Kingsley Coman und Serge Gnabry. Bei Letzterem schränkte Salihamidzic ein, dass dessen Probleme an der Achillessehne "keine große Sache" seien. Dass Gnabry zum Rückrundenauftakt am 19. Januar bei Hertha BSC fit sein werde, sagte Salihamidzic allerdings nicht.

In einer Personalie betrieb der Sportdirektor dann selbst mediale Kaderplanung. Vor einem Jahr hatte er in Katar gesagt, dass er "unbedingt" Callum Hudson-Odoi vom FC Chelsea verpflichten wolle, aus diesem forschen Auftritt, den er sich gut überlegt hatte, hat er gelernt. Nun antwortete er auf die Frage, ob der im vergangenen Sommer umworbene, seit Monaten am Kreuzband verletzte Sané (ein Flügelstürmer!) im Winter kommen könnte: "Nein."

Knapp drei Wochen hat Salihamidzic Zeit, um seinem Trainer die gewünschten Spieler zu holen, zugleich aber am eigenen Kader nur behutsame Korrekturen vorzunehmen. Doch so wie er gesprochen hat, werden es nicht mindestens zwei Zugänge, sondern maximal zwei. Ob er ohne Transfers die Saisonziele gefährdet sehe? Salihamidzic sagte entschieden: "Nein."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4750573
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.01.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.