Süddeutsche Zeitung

Russland:Der DFB schweigt

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Von Johannes Aumüller

Passend zum Fest hat es noch bahnbrechende Erkenntnisse gegeben über das Gesicht des russischen Doping-Skandals. Seit Freitag ist Vize-Premier Witalij Mutko 59 Jahre alt, und zum Ehrentag schaute sich der Sowjetskij Sport in dessen Vergangenheit um. Und siehe da: An der Uni, so erzählte es eine angebliche frühere Dozentin, habe sich Mutko nicht "Witalij" genannt. Sondern "Viktor".

Erst später habe er den Namen wieder getauscht. Es dürfte das Urteil über Mutko nicht arg beeinflussen, falls diese Anekdote, deren Wahrheitsgehalt bisher nicht bezeugt ist, tatsächlich zuträfe. Ganz anders als andere Dinge, die Mutko später tauschen ließ. Etwa positive Dopingproben in negative. Seit vergangener Woche ist seine Rolle in der Affäre klarer denn je. Aus Aufzeichnungen des Kronzeugen Grigorij Rodtschenkow geht hervor, wie konkret sich Mutko als damaliger Sportminister einschaltete. Das IOC sperrte ihn wegen seiner "administrativen" Rolle lebenslang von Olympischen Spielen aus.

Doch Mutko hat noch immer Ämter, er ist Chef des russischen Fußball-Verbands und des Organisationskomitees für die Fußball-WM 2018. Mutko selbst wechselt munter zwischen der Ansage, auf jeden Fall zu bleiben - und dem Angebot, zurückzutreten, "falls das irgendjemandem nutzt". Aus dem Fußball hat er jedenfalls kaum etwas zu befürchten. Der Weltverband Fifa und seine Ethikkommission ignorieren den Sachstand.

Der Chef der IOC-Kommission spricht von einem Abhör-Verdacht

Auch Reinhard Grindel, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes und Mitglied im Fifa-Council, äußerte sich bei der Pressekonferenz nach dem DFB-Bundestag am Freitag auf eine entsprechende Frage zu Mutko nicht. Es gehe an diesem Tag um den DFB-Bundestag und dessen Beschlüsse, sagte er; er habe dem nichts hinzuzufügen, was er am Tag nach dem IOC-Entscheid gesagt habe. Da hatte er aber nur die Forderung nach unabhängigen Doping-Kontrollen bei der WM erneuert, aber nichts zu Konsequenzen für Mutko direkt gesagt. So drängt sich der Verdacht auf, dass hinter der Zurückhaltung sportpolitisches Kalkül steckt. Russland hat großen Einfluss, und der DFB bewirbt sich gerade um die EM 2024. Da könnte es folgenreich sein, es sich mit Mutko und den Russen zu verscherzen.

Zu Russlands Einfluss steuerte am Wochenende auch Samuel Schmid Erhellendes bei. Der Schweizer Ex-Politiker saß jener IOC-Kommission vor, welche die Rolle des Staates in der Dopingaffäre prüfen sollte. Der Aargauer Zeitung berichtete er nun von einem Abhör- und Spitzel-Verdacht sowie diversen Arbeitserschwernissen. Die Sekretärinnen hätten nur an Computern gearbeitet, die nicht am Netz angeschlossen waren. Die Rollläden des Büros seien geschlossen gewesen, Sitzungszimmer und Vorgärten überwacht und keine elektronischen Geräte im Raum. Bei einer Konferenz habe sich eine Delegation des russischen Geheimdienstes im selben Hotel befunden: "Das machte uns klar: Wir sind ein konkretes Angriffsziel."

Ob Druck oder nicht: Am Ende stand ein IOC-Beschluss, der Russlands Olympia-Komitee zwar für die Winterspiele 2018 suspendiert, aber viele Hintertüren für die Teilnahme öffnet. Und der trotz des dokumentierten Einflusses von Sportministerium und Geheimdienst das Wort "Staat" vermied.

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Quelle:
SZ vom 11.12.2017
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