Süddeutsche Zeitung

Robin Dutt in Leverkusen:Trauma des Jung-Trainers

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Robin Dutts Stellung in Leverkusen ist bedroht: Den neuen Coach des ambitionierten Bundesligisten belastet das hohe Ansehen seines Vorgängers Jupp Heynckes. Vor dem wichtigen Champions-League-Spiel in Valencia verteidigt Dutt sich und seine Arbeit - doch im Klub offenbaren sich bereits Vorbehalte gegen seinen Führungsstil.

Philipp Selldorf

Rudi Völler hat vor dem Champions-League-Spiel gegen den FC Valencia eine Rede zur Verteidigung von Robin Dutt gehalten. "Ich habe selten einen Trainer gesehen, der sich so viele Gedanken gemacht hat", sagte der Sportchef von Bayer Leverkusen dem Express, aber was er als Lob vortrug, war zugleich eine Beschreibung der Probleme, die Dutt mit seiner allzu akribischen Arbeit beim rheinischen Werksverein hat.

Der 46 Jahre alte Schwabe hat hohe Kenntnis von der Materie, "er ist ein richtig, richtig guter Trainer", urteilen Eingeweihte bei Bayer, aber die Anwendung auf den Alltag ist ihm bisher nicht gelungen. "Es holpert noch", beschreibt es Völler, was andere Kenner so ausdrücken: "Es läuft nicht, wir spielen nicht gut." Weshalb selbst Dutts wichtigste Förderer im Verein nicht leugnen, dass sich die Situation zuspitzen könnte. Die Qualität der nächsten Auftritte wird darüber entscheiden, ob Bayer und Dutt in eine gemeinsame Zukunft finden.

Dem Betroffenen ist die Ausgangslage bewusst. Dutt hatte sich den nächsten, besser situierten Arbeitgeber aussuchen können, als er in der vorigen Saison den SC Freiburg sicher durchs Jahr geleitete. Er hätte nach Schalke, Hamburg oder Hoffenheim gehen können, aber er wählte Leverkusen und empfing dafür Gratulationen.

"Mir wurde gesagt: Da hast du dir einen guten Verein ausgesucht, da geht's nicht so unruhig zu." Nun stellt er fest, dass die Vorhersagen nicht stimmten, "die Heftigkeit, in der hier Kritik an mir geübt wird, hat mich überrascht", bemerkt er teils amüsiert, teils bitter.

Auf die Lagebesprechung mit der Presse vor dem Treffen mit Valencia hatte sich Dutt gezielt vorbereitet. Er wusste, dass die Partie nur am Rande das Thema sein würde, obwohl sie quasi im K.o-Verfahren die beiden designierten Anwärter auf Platz zwei in Gruppe E zusammenbringt: Chelsea gilt als klarer Favorit, Genk als klarer Streichkandidat, das Rückspiel gegen Valencia gibt es in zwei Wochen.

Dutt hob die technische Brillanz der Spanier hervor und deutete an, dass er Ballack den Vorzug vor Rolfes geben werde, ansonsten sprach er über das Thema Nummer eins in Leverkusen: über sich und seine bedrohte Stellung. "Ich weiß", sagte er in der sperrigen Art, in der er sich häufig zu erklären pflegt, "dass meine Person im Verein in keiner Weise in Frage gestellt wird." Allen Verantwortlichen sei ja klar gewesen, dass es am Anfang schwierig werden könnte, "weil mir einige Punkte mitgegeben worden sind, die verändert werden sollten".

Der Wunsch nach Fortschritt durch Wechsel sei sowohl Voraussetzung wie Programm seines Engagements: "Es ist eben nicht der Typ Heynckes auf Heynckes gefolgt, sondern der Typ Dutt."

Das hohe Ansehen des Vorgängers bei den Spielern belastet Dutts Arbeit, zumal im Kontext der weiteren Trainerhistorie. Bruno Labbadia, derzeit in Stuttgart hoch geehrt, hatte die im Grunde pflegeleichten Bayer-Profis gründlich gegen sich aufgebracht und eine Art Trauma gegen den Typus des aufstrebenden Jung-Trainers hinterlassen. Jupp Heynckes, sein Nachfolger, hatte die Wirkung eines Krankenpflegers, er brachte das demoralisierte Team ins Gleichgewicht und hatte obendrein sportlichen Erfolg. Viele Spieler schwärmten von seinem Stil, als die Klubführung, besonders der Hauptgeschäftsführer Wolfgang Holzhäuser, längst von ihm abgerückt war.

Vielleicht habe sich Dutt in zu vielen Dingen von Heynckes abgrenzen wollen, wird jetzt gemutmaßt, "in der Summe hat er zu viel falsch verändert". Es geht dabei nicht bloß um die bekannten und teils längst revidierten Kleinigkeiten wie die Verbannung von panierten Schnitzeln vom Mittagstisch. Sondern um die ganze Lehre.

Dass die Spieler aber im Training bereits in den offenen Widerstand eingetreten seien, wie der kicker unter Berufung auf interne Quellen berichtete, weist Dutt entschieden zurück. Schilderungen der Art, "dass sie meine Übungen kritisieren und etwas gegen mich haben, werden der Mannschaft nicht gerecht", sagt er, "es ist schade, wenn die Mannschaft in diese Ecke gestellt wird".

Der Wahrheitsgehalt solcher Indiskretionen sei gering, meint Dutt und lässt zur Beweisführung Zahlen sprechen: "Wenn du keinen Bock auf den Trainer hast, läufst du als Mannschaft nicht 120 Kilometer." Auf die Statistik des Spiels gegen Valencia sind jetzt alle gespannt.

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Quelle:
SZ vom 19.10.2011
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