Süddeutsche Zeitung

Revierderby:Junge Talente schüren die Legende

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Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Das Revierderby zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04 ist eine Antiquität ohne Patina. Das erste Duell wird auf 1925 datiert. Das ist 90 Jahre her. Doch dieser Mythos wird am Leben gehalten durch ständig nachwachsende Helden. Die beiden Fußballer Julian Weigl und Leroy Sané sind die jüngsten Repräsentanten einer kontinuierlichen Chronologie, sie sind an diesem Sonntag Derby-Debütanten.

Trotzdem sind die beiden Novizen bereits Protagonisten in ihren Mannschaften. Der gebürtige Bayer Weigl, 20, und der gebürtige Essener Sané, 19, bilden zugleich Gegenwart und Zukunft ihrer Klubs. Auch von ihrer Tagesform wird an diesem Sonntag abhängen, wie das 147. Revierderby ausgeht. Wenn das Spiel dann vorbei ist, reisen beide zu unterschiedlichen deutschen Nationalteams.

Es gibt keinen fußballerischen Grund, den Schalker Sané vor dem Dortmunder Weigl in die deutsche Nationalmannschaft zu berufen. Beide sind blutjung, beide sind in überragender Form und zwei der besten Newcomer, die die Bundesliga derzeit zu bieten hat. Am Sonntag treffen sie erstmals aufeinander, am Montag dürfen dann beide zur Nationalmannschaft aufbrechen - mit dem Unterschied, dass Weigl wie gewohnt zur U21 muss, während Sané erstmals zur A-Mannschaft von Joachim Löw darf. Warum?

Sané soll möglichst schnell sein DFB-Debüt geben

Es gibt da eigentlich nur einen drängenden Grund: Sané, Sohn des senegalesisch-französischen Ex-Bundesliga-Profis Souleyman Sané, besitzt durch seinen Vater auch die französische Staatsbürgerschaft und dadurch theoretisch die Option, sich doch noch für die französische Nationalmannschaft zu entscheiden - und zwar so lange, bis er erstmals für die deutsche A-Mannschaft gespielt hat. Dies soll nun offenbar schnell erledigt werden, damit der Junge gar nicht mehr ins Grübeln kommt. Löw hat Sané ausgerechnet für das Freundschaftsspiel am kommenden Freitag in Paris nominiert. So können die Franzosen direkt anschauen, wer ihnen da durch die Lappen geht.

Schon beim darauffolgenden U21-Spiel in Fürth gegen Österreich werden Sané und Weigl aber wieder für die deutsche Junioren-Nationalmannschaft spielen, mit der sie sich für die U21-Europameisterschaft 2017 in Polen qualifizieren wollen. Mal gemeinsam, mal gegeneinander. Am 17. November zusammen in Fürth, an diesem Sonntag gegeneinander in Dortmund, vor über 80.000 Zuschauern, im 147. Revierderby (das zugleich das 87. Bundesliga-Duell ist).

Weigl hat statistisch die besseren Werte als Sané, hat vier Stunden mehr gespielt. Aber zu vergleichen sind die beiden nur schwer, denn während Weigl im zentral-defensiven Mittelfeld das Dortmunder Umschaltspiel organisiert, ist Sané auf Schalke Außenstürmer und für Torgefahr zuständig - auch weil die nominellen Spitzen Huntelaar und Di Santo bislang stumpf sind. Weigl und Sané erfüllen ihre Aufgaben mit Bravour. Während der Dortmunder 890 Minuten gespielt, 91,3 Prozent seiner Pässe an den Mann gebracht und 54,5 Prozent seiner Zweikämpfe gewonnen hat, durfte Sané nur 640 Minuten spielen, hat immerhin 77,9 Prozent seiner Pässe platziert und nur 51,3 Prozent seiner Zweikämpfe gewonnen.

Allerdings verschweigen diese Werte einen anderen Fakt: Sané hat im Gegensatz zu Weigl, der bislang noch keinen Scorerpunkt vorzuweisen hat, nämlich schon zwei Tore vorbereitet und vier selbst geschossen. Mit dieser Trefferausbeute ist er in dieser Saison bislang Schalkes bester Bundesliga-Torschütze. Und das mit gerade mal 19 Jahren.

Dortmund ist effektiver

Die vier Tore stechen freilich auch deshalb heraus, weil alle anderen Schalker sich mit dem Treffen schwer tun. Gerade mal 14 Tore haben die Gelsenkirchener in den bisherigen elf Saisonspielen erzielt. Auf 32 haben es dagegen die Dortmunder gebracht, dabei haben sie laut offizieller Statistik in diesen elf Spielen mit 175 Torschüssen bloß zwei mehr abgegeben als Schalke.

Das erlaubt eine einfache Schlussfolgerung: Der BVB ist mit nahezu allen Spielern hochgradig effektiv und kann sogar den verletzungsbedingten Ausfall von Marco Reus verkraften, der sich in der Europa League am Donnerstag einen Muskelfaserriss zuzog. Die Schalker hingegen, die gerade gegen diese treffsicheren Dortmunder eine stabile Defensive bräuchten, müssen auf den gesperrten Johannes Geis sowie die verletzten Benedikt Höwedes und Joel Matip verzichten.

Das Duell der beiden Ruhrpottdinos BVB und Schalke lässt sich auf das Duell der beiden Jungstars Weigl und Sané herunter brechen: Weigl muss die Dortmunder Offensive in Szene setzen, Sané muss die Schalker Tore schießen. An zwei ganz jungen Burschen hängt für einen Tag das Glück ihrer Mannschaft, ihres Vereins und vieler zigtausend Fans. Dass viel an den beiden jüngsten Fußballern beider Kader hängt, das könnte in der 90-jährigen Geschichte des Derbys vielleicht ein Novum sein.

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Quelle:
SZ vom 08.11.2015
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