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Reaktionen der Griechen auf das Ausscheiden:"Wir haben das Beste gegeben"

Lesezeit: 3 Min.

Ein Sieg hätte vielen Griechen in der Krise ein wenig Selbstbewusstsein zurückgegeben. Nun verlieren sie ausgerechnet gegen Deutschland - und zeigen sich dennoch als gute Verlierer. Nur als einige deutsche Fans in Danzig dümmliche Parolen skandieren, kommt das EM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Griechenland dort an, wo es keiner haben wollte: in der Politik.

Thomas Hummel

Für ein paar Sekunden kippte die Stimmung dann doch. Aus der deutschen Fan-Ecke schallte das Lied "Eure Tickets haben wir bezahlt!", zuerst von ein paar wenigen, dann von ein paar mehr. Sicher, im Fußballstadion lassen sich selbst brave Familienväter bisweilen zu Liedern hinreißen, für die sich später im Wohnzimmer selbst schämen. Doch in diesem Moment war das Viertelfinale der Fußball-Europameisterschaft zwischen Deutschland und Griechenland dort angekommen, wo es keiner haben wollte: in der Politik.

Schon in den Tagen zuvor mussten die Medien-Chefs beider Mannschaften immer wieder Pressekonferenzen unterbrechen, weil Fragen zur politischen Verwicklung dieser Begegnung gestellt wurden, diese aber keiner der sportlich Beteiligten beantworten wollte. Das hier ist ein Fußballspiel und kein EU-Sondergipfel, so lautete die Botschaft. Auch wenn Angela Merkel auf der Tribüne sitzt. Die herzhaften Pfiffe der griechischen Zuschauer musste die Kanzlerin aber ertragen, wenn sie auf der Videowand im Stadion zwischen Uefa-Chef Michel Platini und DFB-Chef Wolfgang Niersbach gezeigt wurde.

Bis auf das hämische deutsche Lied und die Pfiffe blieb es in Danzig aber doch beim Sportlichen. Und da waren die Kräfte in etwa so verteilt, wie in der Wirtschaftskraft. 2:4 verlor das arme Griechenland gegen das reiche Deutschland. Im Gegensatz zur politischen Stimmung reagierten die sportlich beteiligten Griechen aber nicht mit Ärger, sondern mit Anerkennung. "Ich würde gerne Deutschland gratulieren, sie haben sehr stark gespielt und verdient gewonnen", erklärte Trainer Fernando Santos. Er beklagte den ewigen Ballbesitz des Gegners, wodurch seine Mannschaft "kaum mehr atmen" konnte.

Santos vermisste dabei seinen gesperrten Kapitän Georgios Karagounis als kantigen Bälleverteidiger im Mittelfeld. So war der zweite EM-Held von 2004, der bärenstarke Kostas Katsouranis, in der Zentrale recht alleine und konnte den deutschen Wirblern zu selten den Ball stehlen. Und "wenn man so lange gegen den Ball arbeiten muss, dann ist man irgendwann erschöpft", erkannte Santos.

Trotz der hohen Niederlage verließen die Griechen aber keineswegs betrübt das Turnier. "Wir haben das Beste gegeben und können stolz sein", sagte Torschütze Giorgos Samaras. Dabei benötigten sie in der ersten Halbzeit Glück und eine fehlerhaft schießende deutsche Mannschaft, um nicht schon weit in Rückstand zu geraten. Nach der Pause allerdings fassten sie den Mut, etwas mehr zu riskieren und dieser starken deutschen Mannschaft auch mal weh zu tun.

Das 1:1 von Samaras ließ sogar die Hoffnung aufsteigen, hier könnte sich eine kleine Sensation anbahnen. "Ich habe den Spielern in der Pause gesagt, sie müssen etwas in der Offensive versuchen. Wenn wir ein Tor schießen, wird dies das Spiel total ändern", berichtete Trainer Santos. Er behielt recht, allerdings nicht in seinem Sinne. Denn nach dem 1:1 nutzten die Deutschen plötzlich die Chancen, die sie zuvor so leichtfertig vergeben hatten. Binnen weniger Minuten war das Spiel für Griechenland verloren.

Dennoch dankte Santos seinen Spielern für die Darbietung im Turnier. Für "die Seele, die Leidenschaft, die diese Mannschaft gezeigt hat in allen Spielen." Tatsächlich hatte ja niemand mit ihnen gerechnet in diesem Viertelfinale, eher mit den Russen oder mit den Polen, weshalb das Danziger Stadion auch gut gefüllt war mit Zuschauern im polnischen Dress.

Doch Griechenland war trotz einer fürchterlichen ersten Halbzeit gegen den Gastgeber noch zu einem verdienten 1:1 gekommen, hätte gegen die Tschechen fast ein frühes 0:2 noch gedreht und besiegte dann überraschend die überheblichen Russen. Der Lohn war dieses Viertelfinale in Danzig, und auch da keimte kurz die Hoffnung, trotz einer aussichtslosen Lage am Ende siegen zu können.

Und da war sie dann doch, die Parallele zur Politik: Das Zeichen an die Menschen zu Hause, trotz einer scheinbar aussichtslosen Lage den Mut nicht zu verlieren. Die dümmlichen Gesänge einiger deutscher Fußballanhänger sollten da nicht stören.

Dümmlich waren auch die Reaktionen einiger Griechen in Athen: Kaum erschien Merkel auf den Fernsehbildschirmen in den Bars der Innenstadt, waren "Buh"-Rufe zu hören. Schimpfwörter flogen durch die Luft, "I hate Germans" skandierten einige.

Auch wenn die Stimmung in Athen gelassen blieb zeigt das Spiel: Die Euro-Krise hat Angela Merkel in Griechenland zu einer verhassten Person gemacht, ihr Gesicht steht bei vielen Griechen für ihre eigene Misere.

Ein Sieg hätte vielen Griechen in der Krise ein wenig Selbstbewusstsein zurückgegeben. Nun müssen sie sich ausgerechnet gegen das Land geschlagen geben, von dessen Kanzlerin sie sich so gedemütigt fühlen. Und trotzdem: Die meisten Griechen sind zurecht stolz auf die Leistung ihrer Nationalelf bei dieser Europameisterschaft.

Mit Material von dpa.

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