Süddeutsche Zeitung

RB Salzburg:Wie Raúl und Rooney

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Drei Tore im ersten Champions-League-Spiel der Karriere gelangen vor Salzburgs 19-jährigem Norweger Erling Braut Haaland nur drei anderen Stürmern.

Von Felix Haselsteiner, Salzburg

Einen Tag, bevor Erling Braut Haaland sich der großen Fußballwelt vorstellte, ging Salzburgs Kapitän Andreas Ulmer mit seinem Hund und seinem Baby spazieren. Ulmer bemerkte ein Auto, das langsam an ihm vorbeifuhr, laute Musik dröhnte aus den Boxen, die Fenster waren heruntergelassen. Im Auto saß, was Ulmer erst bei genauerem Hinsehen bemerkte, sein Teamkollege, ein 19-jähriger Stürmer aus Norwegen, den alle nur "Elli" nennen. Haaland fuhr zum Training, er hörte aus lauter Vorfreude in voller Lautstärke eine Fanfare, die ihn womöglich noch öfter begleiten wird im Laufe seiner Karriere: Er hörte die Hymne der Champions League.

Haalands Teamkollege Maximilian Wöber hat diese Geschichte, über die sich die Mannschaft sehr amüsiert habe, am späten Dienstagabend erzählt, er sagte auch, angesprochen auf Haaland, mit einem Lächeln auf den Lippen: "Der ist verrückt, ja! Alles dreht sich bei ihm um Fußball." Drei Tore erzielte der junge Norweger beim 6:2 des FC Salzburg gegen den KRC Genk, alle in den ersten Champions-League-Minuten seiner Karriere; ein Kunststück, das vor ihm nur Raúl und Wayne Rooney gelang - und dem Nigerianer Yakubu Aiyegbeni, 2002 für Maccabi Haifa.

Dabei hätte es eigentlich nicht einmal die Geschichte des jungen Stürmers gebraucht, um diesen Abend zu einem geschichtsträchtigen Ereignis zu machen. Die Bühne war endlich bereitet für die Salzburger, die seit fast einem Jahrzehnt die heimische Bundesliga dominieren, sich aber eigentlich schon viel früher mit den besten Teams Europas messen wollten. Es dauerte nicht einmal zwei Minuten, bis in der sonst spärlich gefüllten und arg stimmungslosen Arena in Wals-Siezenheim die Nervosität, die vor dem Anpfiff zu spüren gewesen war, in Ekstase umschlug. Der belgische Meister aus Genk hatte dem nichts entgegenzusetzen - und lud zu Toren ein.

"Es war überragend", fasste Marsch die erste Halbzeit zusammen: "Nach dem 3:1 hätte die Mannschaft straucheln können, aber dann noch zwei Tore nachzulegen - das ist Mentalität." Die Einstellung dürfte dennoch nicht die alleinige Erklärung für den Salzburger Erfolg sein: Unter Marsch, der im Sommer vom umjubelten Taktiker Marco Rose übernommen hatte, hat Salzburg ein klareres Profil bekommen, ist noch konsequenter im Pressing geworden - und schießt wesentlich mehr Tore. Auch in der zweiten Halbzeit hätten drei weitere Treffer fallen können, der Endstand von 6:2 war jedoch auch so deutlich. "Liverpool ist als Gegner natürlich noch einmal eine Stufe drüber, aber wir haben noch so viel Potenzial", sagte Marsch mit Blick auf den nächsten Gegner, den Titelverteidiger.

Auch Haaland wird in dieser Partie im Fokus stehen, noch mehr als ohnehin schon. Etwa 50 Scouts hatten sich für die Premiere in der Champions League angesagt, sie dürften sich den Namen des Norwegers recht deutlich markiert haben. Der Stürmer selbst trat am Dienstag nicht ausführlich vors Mikrofon, während seine Teamkollegen in der Kabine feierten, wurde er zur Dopingprobe gerufen, davor sagte er nur kurz, sein Gefühl beim ersten Treffer sei das beste seines Lebens gewesen.

Um Haaland besser zu verstehen, reichen jedoch auch die Aussagen seiner Mitspieler. Ramalho etwa lobte ihn in höchsten Tönen: "Er verdient das alles, die ganze Aufmerksamkeit. Er ist ein toller Spieler, aber auch ein toller Mensch." Zlatko Junuzovic sagte: "Er kann noch ein bisschen an seinem Kopfballspiel arbeiten, aber nicht am Kopf an sich: Er wird seinen Weg gehen." Und Jesse Marsch nannte seinen jungen Stürmer, der in dieser Saison in neun Spielen 17 Tore erzielt hat, schlichtweg "electrifying" - elektrisierend: "Er hat immer ein Lächeln auf den Lippen, ist ein guter Junge und ein toller Charakter."

Marsch rief nach der Feier mit den Fans die Mannschaft und den gesamten Mitarbeiterstab auf dem Platz zusammen. Er nahm vier Spielbälle und überreichte sie an Sportdirektor Christoph Freund, Ersatztorwart Alexander Walke, Kapitän Ulmer und Ramalho - alle vier hatten die Salzburger Traumata der vergangenen Jahre miterlebt, sie alle hätten, so Marsch später, "so lange auf diesen Abend gewartet, dass sie sich ein Andenken verdient haben".

Erling Braut Haaland war seinem Trainer da längst einen Schritt voraus. Ein paar Minuten nach dem Abpfiff stolzierte er mit einem Ball über das Feld, er winkte den Zuschauern zu, die wie schon bei seiner Auswechslung minutenlang seinen Namen skandierten. Haaland strahlte vor Glück am ersten großen Abend seiner noch jungen Karriere.

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Quelle:
SZ vom 19.09.2019
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