Süddeutsche Zeitung

Profil:Der Konflikt des Uli Hoeneß

Lesezeit: 2 min

Von Christof Kneer

Mittelfristig, hat Uli Hoeneß gerade gesagt, sei es "das klare Ziel, dass wir nicht nur national, sondern auch international eine Größe werden". Okay, der FC Bayern hat gerade ein Fußballspiel mit 0:3 verloren und anschließend den Trainer Carlo Ancelotti rausgeschmissen, aber musste Hoeneß seinen Klub wirklich so kleinmachen? Eine internationale Größe werden: Sind die Bayern das nicht längst, trotz einer Niederlage in Paris und eines Trainers, der kein Trainer mehr ist?

Nein, es muss sich niemand, der an guter Unterhaltung interessiert ist, Sorgen machen: Uli Hoeneß ist nicht plötzlich demütig geworden. Er hat mit seinem Satz nur die Basketball-Abteilung gemeint.

Die Basketball-Abteilung des FC Bayern ist so etwas wie die kleine Schwester der Fußball-Abteilung, die Basketballer sind wie die Fußballer aus dem selben Bauch geschlüpft, aus dem von Uli Hoeneß. Biologisch ist das mit dem FC Bayern allerdings hinreichend kompliziert, es gibt Hinweise, wonach Hoeneß gleichzeitig Mutter und Vater dieses Klubs ist, sehr wahrscheinlich auch Onkel und Pate. Auf jeden Fall finden sich zurzeit genügend Rollen, die Hoeneß berechtigen, sich ein paar schwere Gedanken zu machen. Seine Bayern: in der Champions League von Paris St. Germain erniedrigt; und in der Bundesliga nur Dritter, hinter Dortmund und einer Mannschaft namens Hoffenheim.

Der FC Bayern besitzt ein tadelloses und im Übrigen abbezahltes Stadion, im Norden der Stadt hat er gerade ein einwandfreies Nachwuchsleistungszentrum errichtet, und nun will auch noch ein sehr, sehr reicher Österreicher eine Halle bauen, in der die Bayern dann zur Miete Basketball spielen können: Nein, über die Hardware muss sich das multiple Familienoberhaupt keine Sorgen machen. Es ist die Software, die Uli Hoeneß umtreibt.

Die Bayern haben gerade mehr als einen Trainer entlassen. Zwar ist eine Entlassung als solche "Part of the Game", im aktuellen Fall aber lenkt die Trainersuche den Blick direkt aufs Organigramm dieses stolzen Unternehmens: Im Moment steht da nicht nur kein Trainer. Im aktuellen Organigramm findet sich zum Beispiel auch kein Sportvorstand; der jüngst eingestellte Hasan Salihamidzic kümmert sich eine Hierarchie-Ebene tiefer um ... nun, so genau weiß man das nicht. Er soll, wenn man das richtig verstanden hat, unter anderem dafür sorgen, dass die Spieler ihre Interessen in der Trainerkabine vertreten wissen. Ob Salihamidzic sich aber auch darum kümmern darf, die Trainerkabine wieder zu besetzen, das ist eine der vielen, zurzeit sehr offenen Fragen.

Hoeneß, 65, ist nach seiner Haftstrafe als Präsident und Aufsichtsratschef in einen Klub zurückgekehrt, der in seiner Abwesenheit vom Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge mit nüchterner Professionalität gemanagt wurde. Menschen, die Hoeneß jetzt begegnen, haben das Gefühl, er wolle die verlorene Zeit aufholen, so offensiv erleben sie den Macher beim Machen. Manchen vermittelt Hoeneß den Eindruck, als lenke er den Klub immer noch wie einen inhaberhabergeführten Betrieb - "zu jung und tatkräftig, um loszulassen" sei Hoeneß, meinte Philipp Lahm, als er fürs Amt des Sportvorstandes absagte.

Das ist Hoeneß' Konflikt im Moment: Er weiß, dass er und Rummenigge, 62, ihr Erbe vorbereiten müssen - aber gleichzeitig ist er halt schon der Meinung, dass der beste Uli Hoeneß immer noch Uli Hoeneß ist. So dominieren die beiden hohen Herren gerade mehr denn je das Klub-Organigramm - ausgerechnet jetzt, da es allmählich darum gehen würde, im laufenden Spielbetrieb die eigenen Nachfolger einzuarbeiten. Für die sportliche Expertise im Haus stehen zurzeit also zwei Ewigkeitsfunktionäre, die übrigens gerne mal unterschiedliche Meinungen pflegen.

Gemeinsam werden sie bald einen neuen Trainer präsentieren, und auch die Mannschaft namens Hoffenheim dürften die Bayern bald wieder überholen. Aber die wahre Arbeit an der Zukunft wird dann erst beginnen.

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Quelle:
SZ vom 30.09.2017
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