Süddeutsche Zeitung

Probleme bei Bayern-Gegner Arsenal:Im Übermut verzockt

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Beim peinlichen Pokal-Aus für Arsenal gegen Blackburn scheitert Arsène Wenger mit einer uninspirierten B-Elf. Dass der französische Trainer im Hinblick auf die Champions League gleich die halbe Stammelf schont, lässt die Fans murren. Gegen den FC Bayern sind die Londoner nur Außenseiter.

Von Raphael Honigstein, London

Mehr noch als das Verlieren hasst es Arsène Wenger, Irrtümer zuzugeben. 20 Minuten vor Ende der Pokalpartie am Samstag konnte er aber nicht mehr anders. Sechs Stammspielern hatte der Franzose eine Pause gegönnt, sie wurden für den Besuch des FC Bayern am Dienstagabend geschont. Doch der 1b-Elf fehlte gegen Zweitligist Blackburn Rovers jegliche Inspiration. Die Fans im Emirates-Stadion murrten ob der tristen Nullnummer.

Wenger wechselte das Leistungsträger-Trio Theo Walcott, Jack Wilshere und Santi Cazorla ein, um ein lästiges Wiederholungsspiel abzuwenden. Und die Notmaßnahme fruchtete sofort, auf gewisse Weise. Blackburns türkischer Nationalspieler Colin Kazim-Richards traf bei einem der seltenen Angriffe der Gäste ins Netz (72.), Arsenal-Torwart Wojciech Szczesny hatte zuvor einen Weitschuss abprallen lassen. Und bei dem 0:1 blieb es dann. Buhrufe begleiteten die Gunners auf den Weg in die Kabine.

"Ein neues Tief für Wenger", titelte der Independent on Sunday am Tag nach der Schmach; die Rovers gelten seit der Übernahme durch indische Geflügelzüchter-Magnaten im November 2010 auf der Insel als Inbegriff von inkompetentem Management und Ahnungslosigkeit. Dazu kam, dass der 63-Jährige Coach in 16 Amtsjahren zuvor nie zuhause gegen einen unterklassigen Klub verloren hatte.

Eine ebenso lange Auswärts-Serie war bereits im Dezember gerissen, als die Londoner im Ligapokal bei Viertligist Bradford City scheiterten. Auch in Bradford hatte Wenger die Belegschaft durchgemischt. Die nationalen Pokalwettbewerbe genießen bei ihm traditionell keine große Wertschätzung.

Nach acht Jahren ohne Titelgewinn hatten sich die Anhänger allerdings deutlich mehr Konzentration auf den FA-Pokal gewünscht. "Alle haben gesagt, dass der Pokal dieses Jahr unsere beste Chance ist", klagte Mittelfeld-Antreiber Wilshere, "offensichtlich war er das nicht." Wenger wirkte nach dem Schlusspfiff angefasst, verteidigte aber seine Personalpolitik energisch. Das Team sei stark genug für diese Aufgabe gewesen, man könne die Aufstellung nicht als Entschuldigung gelten lassen.

"Wir hatten 70 Prozent Ballbesitz und 16 Schüsse aufs Tor, die anderen hatten eine Chance", grämte er sich. Den Seinen habe es an der "mentalen Reife" gemangelt, räumte der Elsässer ein, "vielleicht haben sie gedacht, okay, wir spielen zuhause gegen Blackburn, wir gewinnen schon. Aber so funktioniert das nicht."

Dass Wenger mit radikaler Rotation - die Deutschen Per Mertesacker und Lukas Podolski spielten ebenfalls nicht - bei seiner Elf unterschwellig wohl genau jene gefährlich-falsche Gewissheit gefestigt hatte, blieb unerwähnt. "Lebenswichtig" wäre der Gewinn einer Trophäe in diesem Jahr gewesen, sagte er später, doch an der Basis hegt man große Zweifel, ob Wenger die Sehnsucht der Fans wirklich teilt.

Ein knappes Jahrzehnt ohne Siegerparade im roten Omnibus durch die Straßen Nordlondons erzählt eine andere Geschichte - die einer gewissen Hybris: Obwohl Wengers Arsenal in Meisterschaft (Platz fünf) und Champions League schon länger nicht mehr zu den Favoriten gehört, erachtet er die Pokalwettbewerbe weiter als unter seiner Würde.

"Wir müssen am Dienstag stark zurück kommen und eine Reaktion zeigen", forderte Wenger. Zunächst müsse er seine Truppe aber wieder aufrichten. "Wir müssen unser Selbstvertrauen zurück gewinnen, wir spielen am Dienstagabend ja nicht gegen Blackburn", sagte er, "wir spielen gegen Bayern München."

Vor dem Pokal-Aus hatte Wenger noch über einen Triumph in der Königsklasse spekuliert, am Samstag schien er eher bemüht, beim zunehmend aufmüpfigen Anhang die Erwartungen zu dämpfen. "Es wäre vermessen, heute vom Gewinn der Champions League zu reden", sagte er, ein wenig erschöpft, "wir werden am Dienstag unser Bestes versuchen, danach werden wir sehen, wo wir stehen."

Vor den zwei bisherigen Auseinandersetzungen mit den Münchnern (2000/01 und 2004/05) hatten viele in England und anderswo die Londoner als bessere Elf eingeschätzt. Das defensiv fragile und im Sturm nur selten an glorreiche Zeiten erinnernde Team geht nun aber als Underdog ins Rennen, das sieht selbst der größte Optimist bei den Gunners nicht anders.

Ob Bayern nach der Blackburn-Pleite jetzt Favorit sei? "Das waren sie vorher schon", befand Wenger mit gequältem Lächeln. Er würde sich da nur allzu gerne irren, ausnahmsweise.

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SZ vom 18.02.2013
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