Süddeutsche Zeitung

Meister in der Premier League:Peps schwerster Titel

Lesezeit: 3 min

Manchester City gewinnt zum dritten Mal in vier Jahren die englische Meisterschaft - auch weil Trainer Guardiola mitten in der Saison umdenkt und seiner Mannschaft mehr Luft zum Atmen gibt.

Von Tim Brack

Das finale Urteil in der englischen Meisterschaft fällte Leicester City - und es hätte keinen passenderen Richter geben können. Mit einem 2:1-Sieg über Manchester United am Dienstagabend verhalf der Klub aus den Midlands Manchester City zur Sofa-Meisterschaft. Mit dem Ritterschlag durch Leicester schloss sich gewissermaßen ein Kreis, der am dritten Spieltag der Premier League begonnen hatte.

Ende September hatte die Elf um den ewig jungen Jamie Vardy dem neuen Meister eine 2:5-Niederlage zugefügt. Es war ein erster, schmerzhafter Denkanstoß für ManCity-Trainer Pep Guardiola, der nun über die dritte Meisterschaft in vier Jahren sagte: "Das war eine Saison und ein Premier-League-Titel wie kein anderer. Das war der schwerste." Diese Feststellung wirkt anhand der zehn Punkte Vorsprung auf den Stadtrivalen United wie eine der üblichen Übertreibungen des Super-super-Souffleurs. Die Spieler-Trainer-Geld-Mischung spricht zudem sehr für den Klub. Doch der Weg zum Titel war tatsächlich dramatisch.

Mitte November erlebte Manchester City eine ungewöhnliche Krise. Die Tabelle berichtete in aller Kälte von einem 13. Platz und nur zehn erzielten Toren - so wenige wie zuletzt 2006, als noch keine Milliardenbeträge aus Abu Dhabi in die englische Industriestadt flossen. Nach einer ernüchternden 0:2-Niederlage gegen Tottenham gestand Guardiola ein: "Wir haben zu kämpfen, wir müssen Lösungen finden." Seine Mannschaft wirkte erschöpft, die Gegner so gut vorbereitet wie Mexiko gegen Deutschland bei der WM 2018.

Der begehrteste Titel wird noch vergeben

Guardiola dachte um. Das liest sich wie ein kleiner Satz, es ist aber ein großer. Denn der Katalane verficht seine Fußballidee vom ständigen Anlaufen und immer währenden Ballbesitz aus tiefstem Herzen. Doch er sah die einzige Lösung, seine Mannschaft wieder in die Erfolgsspur zu schicken, darin, ihr mehr Luft zum Atmen zu geben. Gerade in einer zehrenden Corona-Saison, in der das Haushalten mit Kräften so wichtig ist. Seine Mannschaft griff nicht mehr so hoch auf dem Platz an, sie verteidigte orthodoxer, eliminierte dadurch die Konteranfälligkeit und überließ dem Gegner mehr Spielanteile. Kurz vor Weihnachten war Manchester City immerhin Achter, aber der Wendepunkt zeigte sich erst im neuen Jahr.

Denn beim Auswärtsspiel in London gegen den FC Chelsea musste ManCity ohne die Stürmer Gabriel Jesus und Sergio Agüero antreten. Guardiola, der bekanntlich jedes Mal am liebsten zehn Mittelfeldspieler aufstellen würde, bot immerhin sechs auf. Der Passkünstler Kevin De Bruyne spielte als falsche Neun und traf beim 3:1-Sieg. Genauso wie İlkay Gündoğan, der an der Stamford Bridge seine Torgefahr bewies, wie er es noch oft tun sollte in dieser Saison. Mit seinen Läufen in den Strafraum spielt der deutsche Nationalspieler eine zentrale Rolle in den Überlegungen von Guardiola. Mit zwölf Toren ist Gündogan sogar der Toptorschütze der Citizens.

Mit dem Sieg in Chelsea begann ein beängstigender Lauf. 27 von 28 Partien gewann Manchester City. Die Leichtigkeit war zurück.

Um Geld muss sich City selbst in Corona-Krisenzeiten nicht sorgen

Das dosierte Vorwärtsverteidigen verhalf auch der Viererkette zu einer ungeahnten Stabilität. Für die Problemzone Innenverteidigung hatte Manchester City im Sommer für geschätzte 68 Millionen Euro Ruben Dias von Benfica Lissabon verpflichtet. Der Innenverteidiger erwies sich als der so dringend benötigte Stabilisator, neben dem auch John Stones aufblühte und das Versprechen einlöste, das er vor Jahren als Talent gegeben hat.

Der Transfer von Dias veranschaulicht aber auch den Wettbewerbsvorteil, den City hat. Um Geld muss sich der Klub selbst in Corona-Krisenzeiten nicht sorgen. Seit 2008 wird er von einer Investmentgruppe des Staats Abu Dhabi finanziert. Ein PR-Schachzug, um durch Sport das Ansehen in der Welt zu polieren. Der Kader von Manchester City ist so dicht besetzt, das sich daraus womöglich sogar zwei Meister-Mannschaften aufstellen lassen würden. Der Guardiola-Klub profitierte zudem davon, dass der FC Liverpool unter der Verletzungslast regelrecht einbrach. Der Verein von Trainer Jürgen Klopp wäre nominell der ärgste Konkurrent im Meisterschaftskampf gewesen. Dahinter ist die Konkurrenz gering. Der aktuell Zweite, Manchester United, ist im Aufschwung nach Jahren der Mittelmäßigkeit, aber noch nicht reif für einen Titel.

Das alles schmälert das sportliche Verdienst von Manchester City nicht. Die Leistung ist beeindruckend - und wenn es nach den hunderten Fans geht, die sich vor dem eigenen Stadion einfanden, um die Meisterschaft zu feiern, ist die Krönung noch nicht abgeschlossen. Am 29. Mai trifft ManCity im Champions-League-Finale auf den FC Chelsea. Und dieser Titel ist für Guardiola und den Klub nicht nur der schwerste, sondern auch der begehrteste.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5292252
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.