Süddeutsche Zeitung

Australian Open:"Männer trainieren Frauen, warum nicht umgekehrt?"

Lesezeit: 2 min

Von Barbara Klimke, Melbourne

Für alle tennisspielenden Männer, die von einer Niederlage in die nächste stolpern, hat der Franzose Lucas Pouille einen Rat bereit: Nehmt eine Frau als Trainerin! Seit Pouille, 24, mit der Französin Amélie Mauresmo zusammenarbeitet, geht es jedenfalls steil aufwärts.

Fünfmal nacheinander war Pouille bei den Australian Open jeweils in der ersten Runde gescheitert. Zu Beginn dieses Jahres verlor er beim Hopman Cup in Perth alle drei Matches, anschließend kassierte er beim Turnier in Sydney die nächste Erstrundenniederlage. Nun, zwei Wochen später, steht er im Halbfinale der Australian Open, des wichtigsten Turniers der südlichen Hemisphäre, und er weiß, wem er das zu verdanken hat. "Sie gibt mir Vertrauen auf dem Platz, aber auch als Persönlichkeit", sagte er über Mauresmo: "Seit wir uns auf die Verbesserung meines Spiels konzentrieren und nicht mehr auf Platzierungen, fühle ich mich befreiter."

Im vergangenen Jahr war der französische Daviscup-Spieler in eine Sinnkrise gestürzt: Er vermisste den Spaß am Sport und am Training, in der Weltrangliste sackte er von Position zehn bis auf Platz 31 ab. Vielleicht, so mutmaßte er nun in Melbourne, sei das die Konsequenz, wenn man als junger Mensch schon 16 Jahre Bälle übers Netz bugsiert. "Es ist schwierig, sich zu verbessern, wenn man keine Lust mehr hat." Im November trennte er sich dann von seinem Trainer Emmanuel Planque und verkündete die Zusammenarbeit mit der früheren Weltklassespielerin Amelie Mauresmo, 39, die bereits den Briten Andy Murray betreut hatte. Dass solch eine Wahl noch immer für Schlagzeilen sorge, findet Pouille lächerlich: "Männer trainieren Frauen, warum nicht umgekehrt? Es geht nicht darum, ob jemand ein Mann oder eine Frau ist, sondern um Fachkenntnis und Einfühlungsvermögen", erklärte er. Mauresmo, Wimbledonsiegerin und Australian-Open-Siegerin von 2006, sei eine großartige Trainerin: "Und sie ist ein Champion."

Auf dem Weg ins Halbfinale hat Lucas Pouille am Mittwoch den Kanadier Milos Raonic nach 3:02 Stunden 7:6 (4), 6:3, 6:7 (2), 6:4 bezwungen; jenen Raonic, der in der Runde zuvor den ATP-Weltmeister Alexander Zverev aus Hamburg aus dem Turnier beförderte. Am Freitag muss der Franzose sich nun mit dem Weltranglistenersten Novak Djokovic messen, der weitaus weniger Mühe auf dem Platz hatte und seinen Arbeitstag nach nur 51 Minuten beenden konnte. "Das ist genau das, was der Doktor mir verordnet hat", scherzte er. Sein Gegner, der Japaner Kai Nishikori, im Turnier an Position acht gesetzt, musste wegen Schmerzen im Oberschenkel beim Stand von 1:6 und 1:4 aufgeben. Pouille hat jedenfalls versprochen, sich keineswegs unter Druck zu setzten, wenn er dem sechsmaligen Sieger gegenübersteht. Er findet: Jeder kann jeden schlagen.

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SZ vom 24.01.2019
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