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Leichtathletik:Klosterhalfen schrammt am deutschen Rekord vorbei

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Die Läuferin ist über 10 000 Meter chancenlos obwohl sie fast Bestzeit läuft. Jakob Ingebrigtsen verpasst über 1500 Meter knapp den Weltrekord. US-Sprinterin Allyson Felix gewinnt ihre elfte Olympiamedaille.

Konstanze Klosterhalfen hat bei den Olympischen Spielen in Tokio trotz einer starken Vorstellung nicht in den Kampf um eine Medaille über 10 000 Meter eingreifen können. Die deutsche Rekordhalterin aus Leverkusen blieb in 31:01,97 Minuten hauchdünn über ihrer nationalen Bestmarke, damit belegte die WM-Dritte über 5000 Meter hinter übermächtiger Konkurrenz Platz acht.

"Achte - das macht mich richtig stolz und glücklich", sagte Klosterhalfen im ZDF. Die Niederländerin Sifan Hassan gewann in 29:55,32 Minuten und holte ihr zweites Gold in Tokio. Zuvor hatte sie über 5000 m gesiegt, damit ist sie die erst zweite Läuferin nach der Äthiopierin Tirunesh Dibaba 2008 in Peking, der das Double über die beiden längsten Stadionstrecken gelang. Die gebürtige Äthiopierin Hassan hatte in Japan das historische Gold-Triple holen wollen, am Freitag wurde sie aber über 1500 m "nur" Dritte. Silber ging an Kalkidan Ezahegne (Bahrain/29:56.18), Weltrekordlerin Letensebet Giday (Äthiopien/30:01,71) musste sich mit Bronze begnügen.

Klosterhalfen hielt 4000 Meter lang am Ende der Spitzengruppe mit, bis sie nach einer Tempoverschärfung abreißen lassen musste. Ende Februar hatte sie in den USA, ihrem Lebens- und Trainingsmittelpunkt, den deutschen Rekord über 10.000 Meter auf 31:01,71 Minuten verbessert. Danach hatten sie aber hartnäckige Beckenbeschwerden ausgebremst, erst Ende Juli bestritt wieder einen Testwettkampf über 5000 Meter.

Hassan hatte am 6. Juni beim Meeting im niederländischen Hengelo den Weltrekord der Äthiopierin Almaz Ayana, den sie bei ihrem Olympiasieg 2016 in Rio de Janeiro erzielt hatte, um fast elf Sekunden auf 29:06,82 verbessert. Nur 48 Stunden war Giday an gleicher Stelle bei den äthiopischen Olympia-Ausscheidungen noch einmal deutlich schneller (29:01,03).

US-Sprinterin Allyson Felix hat ihre nächste Olympia-Medaille gewonnen. Die 35-Jährige holte am Samstag Gold mit der 4x400 Meter Staffel. Felix hat damit elf olympische Medaillen in ihrem Portfolio, nur die finnische Lauflegende Paavo Nurmi (12) war in der Leichtathletik-Geschichte erfolgreicher als die Mutter einer Tochter. Am Freitag hatte Felix Bronze über 400 m gewonnen und mit ihrem Landsmann Carl Lewis gleichgezogen. Felix, Sydney McLaughlin, Dalilah Muhammad sowie 800-Meter-Olympiasiegerin Athing Mu waren in 3:16,85 Minuten nicht zu schlagen. Die USA sicherten sich damit vor Polen (3:20,53) und Jamaika (3:21,24) das siebte Olympia-Gold nacheinander mit der 4x400-m-Staffel.

Norwegens Ausnahmeläufer Jakob Ingebrigtsen hat mit erst 20 Jahren sein Meisterstück abgeliefert und Olympia-Gold über 1500 Meter gewonnen. Ingebrigtsen lief in Tokio in 3:28,32 Minuten so schnell wie noch niemand zuvor bei Sommerspielen und unterbot den Europarekord des Briten Mo Farah um 49 Hundertstel. Nach dem Gold von Karsten Warholm mit Weltrekord über 400 m Hürden war es der zweite Fabellauf eines Norwegers in Tokio. Den Weltrekord hält seit 1998 der Marokkaner Hicham El Guerrouj mit 3:26,00 Minuten. Hinter Ingebrigtsen, der zum zweitjüngsten Gewinner über diese Distanz nach dem Kenianer Asbel Kiprop 2008 in Peking wurde, holte Weltmeister Timothy Cheruiyot (Kenia) in 3:29,01 Silber, Bronze ging an Josh Kerr (3:29,05).

Die Russin Marija Lasizkene hat zum Abschluss der Wettkämpfe im Olympiastadion von Tokio im Hochsprung das einzige Gold für die Leichtathleten unter neutraler Flagge gewonnen. Die 28 Jahre alte Weltmeisterin setzte sich am Samstag mit 2,04 Metern durch. Lasizkene gehört nach dem Bann für die Russen wegen des Dopingskandals zum anerkannten Team neutraler Athleten. Den zweiten Platz belegte die Australierin Nicola McDermott mit 2,02 Metern vor der Ukrainerin Jaroslawa Mahutschich (2,01).

Marie-Laurence Jungfleisch vom VfB Stuttgart belegte mit 1,93 Metern den zehnten Platz. "Ich bin sehr froh, ins Finale gekommen zu sein. Ich habe einen ganz neuen Anlauf und musste reinkommen. Ich bin froh, dass es einigermaßen funktioniert hat", sagte Jungfleisch im ZDF. Sie war 2016 in Rio den Janeiro Siebte geworden. Die EM-Dritte von 2018 war nur über die Weltrangliste zu den Sommerspielen gekommen, nach einer Achillessehnen-Operation 2019 kämpfte sie lange um den Anschluss. In der Qualifikation überzeugte Jungfleisch, deren Bestmarke bei 2,00 Meter (2016) steht, mit einem Sprung über 1,95 Meter und kündigte danach schon an: "Ich gehe jetzt schon mit einem grinsenden Gesicht nach Hause." Imke Onnen aus Hannover war da schon ausgeschieden.

Marathon-Läuferin Melat Kejeta (Kassel) hat eine weitere deutsche Langstrecken-Medaille trotz einer starken Leistung knapp verpasst. 24 Stunden nach Silber durch Geher Jonathan Hilbert wurde die 28 Jahre alte gebürtige Äthiopierin am Samstagmorgen in Sapporo in 2:29:16 Stunden Sechste und erreichte damit die beste Platzierung einer deutschen Läuferin seit dem vierten Rang von Katrin Dörre-Heinig 1996 in Atlanta. "Ich habe versucht, eine Medaille für Deutschland zu bekommen. Tut mir leid", sagte Kejeta im ZDF: "Es war sehr, sehr warm, und ich hatte Magenprobleme. Aber mit Platz sechs bin ich sehr zufrieden. Es war immer mein Traum, bei Olympia zu sein."

Gold ging vor Augen von IOC-Präsident Thomas Bach und Weltverbands-Boss Sebastian Coe bei einem kenianischen Doppelsieg an die frühere Halbmarathon-Weltmeisterin Peres Jepchirchir, die sich in 2:27:20 vor Weltrekordhalterin Brigid Kosgei (2:27:36) durchsetzte. Bronze holte die Amerikanerin Molly Seidel (2:27:46). Weltmeisterin Ruth Chepngetich gab auf, Rio-Olympiasiegerin Jemima Sumgong (beide Kenia) ist wegen Dopings und Manipulation noch bis 2027 gesperrt.

Deborah Schöneborn (Berlin) belegte einen guten 18. Rang (2:33:08), Katharina Steinruck (Frankfurt) wurde 31. (2:35:00). Kejeta hatte bis kurz nach Kilometer 30 in der Spitzengruppe mitgemischt, ehe die Kenianerinnen diese mit einer Tempoverschärfung sprengten. Die letzte deutsche Medaille hatte 1988 in Seoul die heutige Bundestrainerin Dörre-Heinig mit Bronze geholt.

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