Süddeutsche Zeitung

Olympia:Christina Schwanitz klagt: "Ich habe es verkackt"

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Adé, Olympiasieg: Kugelstoßerin Christina Schwanitz wird nur Sechste. Über einen Abend, an dem für die deutschen Werfer fast alles schief läuft.

Von Saskia Aleythe, Rio de Janeiro

Den Jubellauf vor die Kameras, der Gang zum Trainer, der die Fahne hinunterreicht - all das musste Christina Schwanitz von der Bank aus verfolgen. Sie hatte sich hingesetzt nach ihrem letzten Versuch bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro, versunken in Gedanken, nur ihr Blick verriet: Gut waren diese Spiele nicht gelaufen.

Platz sechs stand da neben ihrem Namen an der Anzeigetafel des Olympiastadions. Und jubeln und schreien und Freudentränen weinen, das machten die anderen.

"Ideal und perfekt wäre, ganz oben zu stehen", hatte Schwanitz nach der Qualifikation gesagt, eine Medaille hätte es für sie schon sein dürfen: Als Drittbeste der Welt war sie schließlich nach Rio gekommen. Doch ganz oben auf dem Treppchen stand am Ende die Amerikanerin Michelle Carter, die im letzten Versuch noch an Valerie Adams aus Neuseeland vorbeizog. Adams ist Olympiasiegerin von 2008 und 2012 und hatte im zweiten Versuch 20,42 Meter weit gestoßen. Dann kam ganz unerwartet noch Carter und wuchtete die Kugel auf 20,63 Meter. "Es war ein Krimi, nur leider habe ich nicht mitgespielt", sagte Schwanitz. Bronze holte Anita Marton aus Ungarn.

Schwanitz vermisst die Leichtigkeit

Schwanitz war mit 19,03 Metern in diesen Abend gestartet, ihre Saisonbestleistung liegt bei 20,17 Metern, gestoßen vor kaum fünf Wochen bei der Europameisterschaft in Amsterdam. Doch nun lief es gar nicht, "ich hatte überhaupt kein Gefühl, dieses Kugelstoßen, dieses Feeling, diese Leichtigkeit waren komplett weg". Der Druck, in einem olympischen Finale zu stehen, hat sich doch bemerkbar gemacht. "Ich habe in dieser Saison viel zu wenig Wettkämpfe gemacht, um damit besser umgehen zu können", sagte Schwanitz. Wegen einer Schulterverletzung hatte sie lange aussetzen müssen und war erst im Juni in die Saison gestartet.

Nach dem ersten Versuch sei sie noch ganz zuversichtlich gewesen, "und dann wollte ich unbedingt. Und wer will, verliert", sagte sie. Mehr als diese 19,03 Meter wurden es nicht mehr. "Ich habe es verkackt", sagte Schwanitz.

Sie war mitgenommen, klar, sie war bedient, doch nicht am Boden zerstört. Schließlich sei ein sechster Platz bei Olympischen Spielen eine zu honorierende Leistung, sagte sie. Es sind die dritten Spiele von Christina Schwanitz, in Peking und London war sie dabei, wurde mal Elfte, mal Zehnte. Ihre Dauerkonkurrentin Valerie Adams schnappte sich beide Olympiasiege.

Doch Schwanitz ist in den letzten Jahren immer näher an sie herangerückt und wenige Minuten nach der Enttäuschung in Rio hatte sie auch gar keine Lust, schon ans Aufhören zu denken. Oder daran, dass das vielleicht ihre letzten Olympischen Spiele gewesen sein könnten.

"Ich möchte das so nicht stehenlassen", sagte die 30-jährige Schwanitz, "da ist der Ehrgeiz schon wieder geweckt, ich bin damit nicht zufrieden. Ich möchte zeigen, dass, was letztes Jahr möglich ist, auch wieder möglich ist". 2015 war sie in Peking Weltmeisterin geworden, Adams fehlte verletzt. Mit der Weite von damals, 20,37 Meter, hätte sie in Rio nun Bronze geholt.

Siebenkämpferin Carolin Schäfer überzeugt

Die deutsche Leichtathletik ist nun freilich nicht gleich am Boden, die Wettbewerbe fangen ja gerade erst an: Siebenkämpferin Carolin Schäfer steht nach einem starken ersten Tag und vier absolvierten Disziplinen auf Rang fünf. Tatjana Pinto sprintete ins 100-Meter-Halbfinale und über 1500 Meter schafften es Konstanze Klosterhalfen und Diana Sujew in die nächste Runde. Hammerwerferin Betty Heidler machte gleich mit dem ersten Versuch das Finale klar.

Doch dieser erste Tag der Leichtathletik war doch ein aufwühlender, mit dem so nicht zu rechnen war. Mit dem Qualifikations-Aus von Diskuswerfer Robert Harting war er denkbar übel gestartet. Christina Schwanitz wollte den Tag eigentlich mit einem Lächeln beenden. Doch stattdessen sah ihre Gemütslage nun so aus: "Ich will einfach bloß unter die Dusche, mir die Decke über den Kopf ziehen und nichts mehr sehen und hören."

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