Süddeutsche Zeitung

Olympia-Bewerbung:Das Vorpreschen nährt Spekulationen

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Der Deutsche Olympische Sportbund hält die Rhein-Ruhr-Region für den besten Olympia-Kandidaten für 2032. Doch in dem Vorstoß könnte auch stille Verzweiflung stecken.

Kommentar von Thomas Kistner

Unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit, halten es die Menschen in Deutschlands tiefem Westen kaum noch aus. "Ja, ich will!", ruft hoffnungstrunken der Nordrhein-Westfale, sobald die Frage auf das Thema Sommerspiele 2032 in der Rhein-Ruhr-Region kommt. Genauer: die Umfrage. Und zwar eine, die der Sport selbst in Auftrag gab und daher mit Vorbehalt zu sehen ist. Zumal die Funktionäre keinerlei Details zu dieser aus ihrer Sicht sehr erfreulichen Hochstimmung preisgeben wollen. Nicht vor April. Bis dahin, so darf vermutet werden, soll das einfach mal so proklamierte Hochgefühl ein wenig einwirken.

Nach sechs gescheiterten Versuchen, die auch der heutige IOC-Boss Thomas Bach in wachsend wichtigeren Rollen begleitet hatte, gibt's den Olympia-Spirit neuerdings in homöopathischen Dosen. Dabei hatte DOSB-Vorstandschefin Veronika Rücker zur Jahreswende vor Aktionismus gewarnt; es bräuchte erst den "intensiven Diskurs mit der Gesellschaft". Findet der nun per Forsa-Umfrage statt?

Für Berlin käme 2032 zu früh - und 2036 nicht in Frage

Das Vorpreschen nährt Spekulationen. Die bodenständige Rhein-Ruhr-Region verströmt ja keinen allzu sinnlichen Appeal für das elitär verwöhnte Wahlvölkchen im Internationalen Olympischen Komitee; überdies steht mit Brisbane ein sportpolitischer Frontrunner im Ring. Alternativ gab es hierzulande Berlin, aber dort käme 2032 zu früh - und 2036 nicht in Frage. Hundert Jahre danach: Dieser Idee haftet zu viel Anstößiges an; seit dem politischen Dammbruch in Thüringen dürfte so eine Olympia-Reminiszenz auch bundesweit tabu sein. Ist also beim jähen Vorstoß mit Rhein-Ruhr stille Verzweiflung im Spiel, die betrübliche Erkenntnis: Was 2032 nicht klappt, geht erst 2040 wieder?

Man würde gern die Umfrage sehen. Denn abseits politischer Klimafragen hat sich der Widerstand in der Bevölkerung nie gegen Spiele oder Sportler gerichtet. Sondern gegen das IOC, gegen Deals mit einem korruptionsumflorten Ringe-Konzern, der vor Kreml-Potentaten buckelt, sich aber in demokratischen Hemisphären gern als Nebenregierung aufspielt. Nicht zu reden von all den Umverteilungen aus öffentlichen in private Hände, die ja erst nach dem Zuschlag stattfinden.

Die aufsehenerregende Botschaft aus nationaler Sicht zum Themenkreis Olympia ist daher eine ganz andere: Das IOC und sein deutscher Patron wurden gerade von den Nachwehen eines Image-Desasters touchiert, an dem sie 2018 vorbeigeschrammt sind. Felix Neureuther, bester deutsche Skifahrer der letzten Jahre, hat bei einem öffentlichen Event erklärt, wie er bei den Winterspielen 2018 in Südkorea gegen das IOC und Bach protestiert hätte: Indem er dort eine Medaille abgelehnt hätte. Nur fiel der Medaillenkandidat in Pyeongchang wegen eines Kreuzbandrisses aus. Aber so eine Aussage steht für sich; zumal er schon seit Jahren die Machtspiele der Funktionäre und insbesondere den Umgang des IOC mit der russischen Dopingaffäre rügt. Neureuther sagt, er habe Bach mehrfach um ein Gespräch ersucht, aber vergeblich.

Dass in Rhein-Ruhr weitergewurstelt wird, dürfte Bach da viel lieber hören. Die Spiele 2024 (Paris) und 2028 (Los Angeles) wurden hastig an die letzten Anwärter verteilt, die es noch gab. Dabei hatten noch um 2012 neun Städte gebuhlt, darunter ein Streichkandidat namens Leipzig, der damals brav beteuert hatte, er werde Spiele ganz sicher hinkriegen, und: die Bevölkerung habe es verdient. Halt das, was hunderte Orte von sich sagen können.

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SZ vom 13.02.2020
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