Süddeutsche Zeitung

Maskottchen bei Olympia:Schön knuffig, schön still

Lesezeit: 2 min

Bing Dwen Dwen, der Panda im Eismantel, ist das passende Maskottchen der Winterspiele in Peking. Sein Auftrag: immer nur lächeln. Das war früher schon mal anders.

Von Holger Gertz

Dass das Maskottchen der Olympischen Winterspiele früh ausverkauft war, kam zuletzt in Turin 2006 vor, es amtierten "Neve und Gliz", ein Schneeball und ein Eiswürfel, wobei der Schneeball eher weiblich gelesen wurde. Also: Schneebällin und Eiswürfel amtierten in Turin, aber schon wenige Tage nach der Eröffnungsfeier waren die Regale in den Shops leer und wurden nicht mehr nachgefüllt. Offenbar waren zu wenig Maskottchen produziert worden. Passte zu den Spielen damals in Norditalien: alles etwas lieblos am Bedarf vorbei.

Bei Bing Dwen Dwen liegen die Dinge anders, der Panda ist sicher in beachtlichen Mengen hergestellt worden, aber die Liebe der Chinesen und Chinesinnen zum Panda überwältigt jede Bevorratung. Er muss nachproduziert werden. Was ist das Besondere an Bing Dwen Dwen? Der Panda trägt einen Mantel aus Eis, das spricht für den Panda - auch sein sympathisches Übergewicht.

Der runde Panda im Eismantel ist außerdem etwas, das man behalten kann von diesen Spielen, die coronabedingt hinter Sichtblenden und Zäunen stattfinden. Die Menschen in Peking dürfen nicht in die Stadien, ihre Teilhabe ist begrenzt. Durch diese Mangelerfahrung wird der Reiz stimuliert, trotzdem etwas festzuhalten vom nahen, fernen Weltereignis. Und ein Panda daheim im Regal kann ein Stück Erinnerung sein. Zumal man dem Panda seinen Eismantel ausziehen kann. Das ist ja wichtig, wenn's wieder wärmer wird.

Ganz abgesehen davon: Knuffigkeit war immer ein Verkaufsargument, das wissen die kapitalistischen Chinesen, und was das angeht, liegt Bing Dwen Dwen vor der Schneebällin von 2006. Auch vor Sukki, Nokki, Lekki und Tsukki, den stilisierten Schneeeulen von Nagano 1998. Sogar vor Vucko, dem singenden Wölfchen von Sarajevo 1984. Sarajevoohooo heulte es damals auch durchs deutsche Olympiafernsehen, das klang etwas unheimlich, und das fiel einem danach manchmal ein, wenn man sah, was aus Sarajevo wurde, wenig später, im Krieg.

Vucko hat eine Geschichte, sie ist ihm nachträglich zugewachsen. Bing Dwen Dwen hat einen Auftrag, er ist ihm ins Gesicht geschrieben: immer nur lächeln. Denn wenn die Chinesen ihn lieben, dann lieben sie auch das Bild dieser Olympischen Spiele, das im Staatsfernsehen gemalt wird. Alles rund, alles gut gelaufen. Der Panda im Eismantel gehört zu diesem Bild, er singt nicht, und er sagt auch nichts, was irritieren könnte.

2014 in Sotschi amtierte, als Teil eines Dreigestirns, der Polarbär Bely Mishka, Verwandter des echten Mishka von Moskau 1980. Die Russen liebten diese Bären, und die Bären liebten ihre Spiele, sowohl Mishka 1980 als auch Bely Mishka 2014 weinten ein sentimentales Tränchen bei der Schlussfeier.

Ob Bing Dwen Dwen auch weinen wird? Es gäbe genug, was beweint werden könnte nach diesen Spielen von Peking. Aber wohl nicht gerade vom Maskottchen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5530453
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.