Süddeutsche Zeitung

Nürnberg:Ein Phantom zum Versöhnen

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Marek Mintal nimmt seine Arbeit als Interimstrainer beim FCN auf. Der frühere Bundesliga-Torschützenkönig soll aber nur die Übergangslösung in Nürnberg sein.

Von Sebastian Fischer

Am vergangenen Wochenende saß Marek Mintal für eine Pressekonferenz in der Geschäftsstelle des 1. FC Nürnberg, er saß dort als Trainer der U21, die in der Regionalliga Bayern Garching 6:0 besiegt hatte. "Im Leben passieren Sachen, die gehen extrem schnell und im Fußball sowieso", sagte er: "Von der Regionalliga gehst du auf einmal auf die Bank in der zweiten Liga." Das müsse man genießen, selbst wenn es nur für kurze Zeit sei. Er sagte das über den Torhüter Benedikt Willert, 18, der nicht für Nürnbergs U21 gespielt hatte, weil er zwei Tage später für die Profis auflaufen sollte. Mintal sprach also nicht über sich selbst, noch nicht.

Am Montag verlor der 1. FC Nürnberg mit Willert im Tor beim VfL Bochum mit 1:3, weshalb die Dinge danach schnell gingen: Am Dienstag wurde Damir Canadi, erst im Sommer nach dem Nürnberger Abstieg aus der Bundesliga als Trainer verpflichtet, nach nur einem Sieg aus den vergangenen neun Pflichtspielen freigestellt. Am Mittwoch leitete Mintal seine erste Einheit als Interimstrainer - zum ersten Mal als Chefcoach im Profifußball.

Der Slowake, 42, ist in Deutschland vor allem als Torjäger bekannt. 75 Treffer gelangen ihm in 208 Spielen für Nürnberg, wo man ihn "Torphantom" nannte, weil er immer so plötzlich im Strafraum auftauchte, bevor er traf. Er wurde zweimal Torschützenkönig, einmal mit 18 Treffern in der zweiten Liga 2004, in der Saison darauf mit 24 Treffer in der ersten Liga. Er gehörte außerdem zu der Mannschaft, die 2007 den DFB-Pokal gewann. In Nürnberg zählt er zu jenen Fußballern, die sie liebevoll "Club-Legenden" nennen. Und dass er ein Trainer ist, den die Fans lieben, kann in diesen Tagen nicht schaden.

Sportvorstand Robert Palikuca sah dem Anlass angemessen grimmig aus, als er am Dienstag vor die Kameras trat, um die Entscheidung zu erklären. Canadi sei verzweifelt auf Lösungssuche gewesen: "Man sieht die Unzufriedenheit im Umfeld, man sieht die Heimspielergebnisse, die Leute sind nicht glücklich damit, das schlägt sich dann aufs Gemüt." In Bochum, als die Mannschaft zum wiederholten Mal konfus gewirkt hatte, waren es die mitgereisten Fans gewesen, die den Rauswurf des Trainers forderten. Auch im Team sollen Canadis Ideen nicht mehr gegriffen haben.

Palikuca, dessen Wunschtrainer der Österreicher Canadi war, hat bereits erklärt, dass Mintal nur eine Übergangslösung sein soll. Wenn möglich will der Manager schon vor dem Derby gegen Fürth nach der Länderspielpause einen neuen Coach präsentieren, der die unveränderten Ziele des Vereins - mindestens Platz sechs in dieser Saison und der Wiederaufstieg in der kommenden - erreichen soll. Als ein Kandidat wird Markus Anfang gehandelt, der in der vergangenen Saison beim 1. FC Köln zwar kurz vor dem Saisonende entlassen wurde, aber als Trainer immerhin zu weiten Teilen für den Bundesligaaufstieg verantwortlich war. Sollte Nürnberg so schnell einen neuen Trainer finden, würde Mintal nur am kommenden Sonntag gegen Arminia Bielefeld auf der Bank sitzen. Dass er dafür die richtige Lösung ist, das ist im Verein aber unumstritten.

2013 hat Mintal seine Trainerlaufbahn als Co-Trainer beim Club begonnen, er wurde später Jugendcoach, sprang bereits in der Vorsaison nach der Freistellung von Michael Köllner als Assistent von Interimstrainer Boris Schommers ein. Gerade macht Mintal seinen Fußballlehrer-Schein in der Slowakei, er hat dort noch Lehrgänge zu absolvieren, will im Winter fertig werden. "Er ist ruhig und sachlich und kann auch etwas zeigen, er hat das Standing", sagt Wolfgang Wolf, der neuerdings den Regionalligisten Lok Leipzig trainiert - und am Weg Mintals nicht unbeteiligt war: Es war Wolf, der den Stürmer 2003 nach Nürnberg holte, angeblich nach einem Tipp von einem befreundeten Autohändler, der die Empfehlung vom Vater seiner slowakischen Freundin bekam - einem Trainer. Mintal blieb acht Jahre lang und kehrte nach nur einer Saison bei Hansa Rostock 2012 nach Nürnberg zurück.

"Das ganze Gerede von Fußballern ist doch meistens nur Blabla", hat Mintal mal dem Magazin 11Freunde gesagt, aber nach seiner ersten Einheit als Zweitligatrainer hat er dennoch kurz über sich selbst gesprochen. Er habe "keine einzige Sekunde" überlegt, die Aufgabe anzunehmen. Sein Training funktioniere auf eine "ein bisschen andere Art" als jenes von Vorgänger Canadi, es gehe jetzt um Einfachheit und Spaß. Und er lege keinen Wert darauf, in der Kabine als Legende anerkannt zu werden. So mancher junger Spieler kennt Mintals Tore wohl nur aus Erzählungen.

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SZ vom 07.11.2019
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