Süddeutsche Zeitung

Novak Djokovic:Hoch wie die Pelikane

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Der Weltranglistenerste hält nun auch den Rekord im Preisgeld. Bald ist er der 100-Millionen-Dollar-Mann.

Von Philipp Schneider, Miami/München

Es lief das vorletzte Aufschlagspiel eines einseitigen Matches, Novak Djokovic führte gerade 40:0, als er etwas erblickte, das ihn erstaunte. Oben, am schönen blauen Himmel über Florida, überflog ein Schwarm großschnäbliger Wasservögel das Stadion von Miami, weswegen Djokovic sein Finale gegen Kei Nishikori unterbrach und mit dem Finger in die Höhe deutete: Seht alle her! Pelikane! Nun ist es zweifelsfrei immer wieder ein erhabenes Erlebnis, diese bulligen, bis zu 13 Kilogramm schweren Vögel aus der Ordnung der Ruderfüßer bei ihren erstaunlich wendigen Flugmanövern zu beobachten. Aber sich ablenken lassen, in so einem Moment? Im Endspiel gegen den Japaner Nishikori, die Nummer sechs der Welt?

Nun, warum denn nicht? Der Überflug der Pelikane war ja ein stiller Moment der Abwechslung für einen Weltranglistenersten, der seine Konkurrenz nach Belieben dominiert, der seit nunmehr 18 Monaten das Tennis seines Lebens spielt und dabei von Rekord zu Rekord eilt.

Hier nur die aktuellen Bestmarken: Seit dem 6:3, 6:3 gegen Nishikori in Miami ist Djokovic, der zwei Wochen vorher in Indian Wells bereits den ersten Teil des sogenannten Sunshine Doubles gewonnen hatte, mit 28 Titeln alleiniger Masters-Rekordsieger vor dem Spanier Rafael Nadal. Zudem war es sein 714. Karrieresieg, damit hat er eine Partie mehr gewonnen als sein Trainer Boris Becker. Der begleitet die erstaunliche Entwicklung seines Schülers bekanntlich recht neidfrei und frohlockte jüngst: "Novak war noch nie besser!"

Das steht fest. Und sollte er auch nur halbwegs solide gewirtschaftet haben, war der Serbe auch noch nie reicher. Zumindest in der Preisgeld-Rangliste zog er am Wochenende vorbei am Grand-Slam-Rekordgewinner Roger Federer. 98 199 548 Millionen Dollar hat sich Djokovic inzwischen erspielt, 343 667 Dollar mehr als der Schweizer. Und da Djokovic also nur noch 1,8 Millionen Dollar zur nächsten runden Summe fehlen (und sowieso gerade niemand besser in Form ist auf diesem Sportplaneten), wird er wohl ziemlich sicher der erste 100-Millionen-Dollar-Mann im Tennis werden. Zumindest was die Preisgelder angeht; die zusätzlichen Millionen aus Werbeverträgen sind hier nicht erfasst. "So wie er derzeit spielt, deutet nichts darauf hin, dass Novak bald wieder menschlich sein wird", schrieb der Miami Herald. "Ich bin wirklich stolz auf all diese Dinge", sagte Djokovic; es sei aufregend, immer wieder "Geschichte zu schreiben".

Eine kleinere Geschichte hatte er zuletzt schon geschrieben, als er sich in die Debatte um eine vermeintlich gerechte Neuverteilung der Preisgelder zwischen Männern und Frauen eingeschaltet und sinngemäß angeregt hatte: Wenn die Männer mehr Geld wollten, müssten sie dafür halt allein ohne die Frauen kämpfen, weil diese bereits mit ihren "Hormonen" beschäftigt seien. Das war ziemlich unglücklich argumentiert, auch vor dem Hintergrund, dass im Tennis die Preisgelder inflationsbereinigt stark angestiegen sind seit jenen Zeiten, als sich Ilie Nastase und Björn Borg die Bälle mit Holzschlägern zuspielten.

Borg gewann, genau wie Djokovic, elf Grand-Slam-Titel. Er verdiente 3,6 Millionen Dollar Preisgeld. Allein sein Wimbledon-Sieg brachte Djokovic im Vorjahr nur 600 000 weniger.

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SZ vom 05.04.2016
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